:::Interview
Marina And The Diamonds

»Man bekommt Kleidungsstücke geschenkt«

Ex-Genesis-Mitglied Peter Gabriel; Real World Studios

 Photo: Warner Records

 

Ist sie einfach Marina Diamandis, eine 26-jährige Britin, Tochter einer Waliserin und eines Griechen? Oder doch Kunstfigur und Popstar, wie ihr Künstlername Marina And The Diamonds nahelegt? Man ist gewillt, Ersteres zu glauben, wenn man mit dieser jungen Frau über ihr zweites Album "Electra Heart" spricht. Denn die Sängerin macht nicht mit Schock-Momenten oder kalkulierten Fehltritten in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam. Marina Diamandis steht - trotz eines vordergründig gefälligen Popsounds - eher in einer Reihe mit neuen selbstbewussten weiblichen Acts wie Adele, Lily Allen oder Florence And The Machine. Und bekommt auch ohne übertriebenes Popstar-Gehabe reichlich Aufmerksamkeit: "Electra Heart" stieg bereits auf Platz eins der britischen Charts.

 

Dein neues Album "Electra Heart" ist nach eigener Aussage ein sehr offenherziges Album. Kannst du das erklären?

Marina Diamandis: Der Titel repräsentiert die Theorie einer weiblichen Seite in der Kunst. Aber auch, als Kontrast sozusagen, eine Liebesgeschichte über Zurückweisung, und wie es deine Identität verändert, wenn du mit jemandem Schluss machst, den du liebst.

Wie viel Offenherzigkeit sollte ein Popstar denn in der Öffentlichkeit zeigen? Wo fängt die Grenze zum Privatleben an?

Eine schwierige Frage. Es sind ja die Geister, die man gerufen hat, sozusagen. Wenn man jedoch nicht in der öffentlichen Wahrnehmung stehen, aber trotzdem eine Sängerin sein möchte, gibt es immer Möglichkeiten, diese Bereiche zu trennen, glaube ich.

An was denkst du da konkret?

Sich eine Heimat mitten im Nirgendwo suchen zum Beispiel (lacht)! Nicht in die ganzen angesagten Restaurants gehen. Man kann versuchen zu vermeiden, die Art von Leben zu führen, die den Boulevardmedien in die Hände spielt. Aber manchmal hat man auch keine Wahl, dann wird man ungefragt zum Interessenmittelpunkt für die Leute, da muss man dann eben durch. Ich bin mir da aber gar nicht so sicher, denn obwohl ich natürlich nicht ganz unbekannt bin, bin ich weit davon entfernt, eine Berühmtheit zu sein. Ich bin also vielleicht auch die falsche Person für diese Frage.

 

Dann also eine Frage, die näherliegt ... Was beunruhigt dich momentan mehr: Die Krise in Griechenland oder das amerikanische Durcheinander, über das du einst in deinem Hit "Hollywood" sangst?

(lacht) Oh! Wahrscheinlich doch eher Griechenland. Es geht dabei ja auch um meine Familie und meine Generation, die hohe Arbeitslosigkeit und all das. Als 19-jähriger Junge mit einem Schulabschluss hast du momentan in Griechenland keine wirklich guten Zukunftsaussichten, wenn du nicht gerade aus einer reichen Familie kommst. Viele fragen sich da, ob sie nicht lieber in einem anderen Land nach Arbeit suchen sollten. Das ist ziemlich hart, momentan.

 

Wo liegt der Unterschied zwischen den beiden Ländern?

Ich habe den Song vor vier Jahren geschrieben, mit 21, und es war ein sozialkritischer Kommentar zur Situation in Amerika von damals, die sich deutlich von der heutigen unterscheidet. Und der Song war auch rein auf die Popkultur gemünzt, es ging nicht um Politik oder Ökonomie. Damals fing das an mit der Masse an Reality-Fernsehsendungen, in denen plötzlich jeder berühmt sein wollte. Darum ging es eigentlich.

 

Hast du deine griechisch-walisischen Wurzeln eigentlich jemals als ungewöhnlich empfunden?

Nein, so ungewöhnlich ist das ja nun auch wieder nicht! (lacht) Ich kenne immerhin drei weitere Leute, die griechische und walisische Elternteile haben! Bevor ich mit sechzehn Jahren nach Griechenland zog und dort die Schule besuchte, schien es eine seltene Kombination. Aber dort waren dann ganz viele andere Kinder mit Eltern aus verschiedenen Ländern, und von da ab hat sich das relativiert.

 

Welcher der beiden Seiten fühlst du dich näher?

In meinem alltäglichen Leben bin ich wahrscheinlich etwas mehr walisisch, aber natürlich ist meine griechische Seite auch immer präsent. Es ist recht ausgewogen, würde ich sagen.

 

Sprichst du beide Sprachen?

Ich kann kein Walisisch, nein. Aber mein Griechisch ist ganz gut. Nicht brillant, aber es reicht. Die Leute hören natürlich trotzdem raus, dass ich keine waschechte Griechin bin, ein gewisser Akzent ist unvermeidbar.

 

Apropos unvermeidbar: Deine Plattenfirma hebt die Namen der Produzenten deines neuen Albums hervor, die Tatsache, dass jene schon mit Madonna oder Katy Perry gearbeitet haben. Ist dieses "Namedropping" heutzutage unverzichtbar, um Aufmerksamkeit zu erzeugen?

Ich halte das, ehrlich gesagt, für Schwachsinn. Man kann sich schließlich jeden beliebigen Produzenten aussuchen, solange er gut in dem ist, was er tut. Für mich ist das nicht relevant, aber anscheinend für die Plattenfirma. Ich glaube auch nicht, dass es die eigenen Songs notwendigerweise raffinierter macht, wenn ein berühmter Produzent daran mitgearbeitet hat.

 

Aber die Arbeit mit Leuten wie Rick Nowels, Dr. Luke, Liam Howe und Greg Kurstin war trotzdem angenehm, oder etwa nicht?

Ja, klar, ich bin ja auch sehr glücklich darüber, mit diesen Leuten arbeiten zu dürfen. Ich wollte anfänglich natürlich alles selbst in der Hand halten und kontrollieren, aber die Produzenten haben quasi eine übergeordnete Funktion erfüllt und mir aus einer gewissen Distanz heraus geholfen. Und das war dann tatsächlich sehr erfüllend.

 

Ist es ein täglicher Kampf, eine kluge und nachdenkliche Person und gleichzeitig ein Popstar zu sein?

Ich mag diese Frage! Ja, es ist ein täglicher Kampf (lacht laut)! Also, ehrlich gesagt, ist es das natürlich nicht wirklich. Zumindest wirkt es für mich mittlerweile recht natürlich. Aber es hat ja auch damit zu tun, was für eine Identität du als Künstler hast, wie viel von dir tatsächlich darin steckt. Ich genieße meine Identität als Musikerin sehr und wäre, glaube ich, ziemlich unglücklich, wenn meine Songs keine Inhalte transportieren könnten und in Wahrheit nur Blödsinn dahinter stecken würde.

 

Nimmt die allgemeine Qualität der Popmusik momentan zu oder eher ab?

Die Qualität nimmt definitiv zu, der Anspruch ist größer geworden. Der Erfolg von Adele hat beispielsweise viele Türen geöffnet, für Künstler wie Lana Del Rey. Ihre Musik ist sehr organisch und zurückhaltend, das ist toll. Schließlich kann nicht jeder Song im Radio ein Club-Hit sein, es ist schön, eine gewisse Vielfältigkeit zu haben.

 

Du wirst im Juni vor Coldplay in London auftreten, im September mit der Band auch in Deutschland zu sehen sein. Ist das etwas, auf das Sie sich persönlich freuen, oder ist es in erster Linie gut für die Karriere?

Nein, ich freue mich schon aus persönlichen Gründen darüber. Ich glaube, dass es nicht viele Künstler gibt, die diese Bühnenerfahrung in ihrer Karriere machen können. Besonders für jemanden wie mich, der ja eher aus einem Do-It-Yourself-Umfeld stammt. Und natürlich ist es auch gut für meine Karriere, aber ich bin mir gar nicht so sicher, ob Support-Acts tatsächlich so viele Fans von der Hauptband auf ihre Seite ziehen können. Für mich ist es eine Herausforderung als Künstler, ein derart großes Publikum gut zu unterhalten.

 

Was ist - neben der Tatsache, Menschen unterhalten zu dürfen - der angenehmste Vorzug im Leben eines Popstars?

Natürlich die Tatsache, dass man Kleidungsstücke geschenkt bekommt (lacht)! Dass Leute sich während einer Tour um nebensächliche Sachen für dich kümmern, im schlimmsten Fall soweit, dass du deine ganze Verantwortung theoretisch abgeben könntest und dich nicht mehr wie ein Erwachsener benehmen musst (lacht).

 

Empfindest du es als Beleidigung, wenn jemand die Künstlerin Marina And The Diamonds als Kunstfigur bezeichnet?

(überlegt) Nein, das finde ich toll. Denn das würde ja heißen, dass ich diese Person erfolgreich hinters Licht geführt habe! Aber das hat noch nie jemand gemacht, leider. Wäre schön, wenn jemand dieses Gerücht mal in die Welt setzen würde!

Das Interview wurde im Mai 2012 geführt und erschien u.a. auf der Internetseite von Radio Köln.


:::Interview

Peter Gabriel

Ein Weiser Mann

Ex-Genesis-Mitglied Peter Gabriel; Real World Studios

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   Photo: Nadav Kander ©2010 Peter Gabriel Ltd.


Peter Gabriel hat als Musiker vielleicht nicht all das erreicht, was andere Kollegen seines Alters geschafft haben. Trotzdem wirkt er während des Interviews in einem Düsseldorfer Nobelhotel wie ein äußerst zufriedener und mit sich selbst im reinen lebender Mann, der sich mit sprudelnder Neugier für moderne Technik, Computer und das Internet zu begeistern weiß.

 

Waren das Album und die DVD zur “New Blood”-Tour bloß eine logische Konsequenz der Auftritte oder gab es noch andere Gründe für die Veröffentlichung?

Es war die logische Konsequenz zu der Tour. Es gab ursprünglich gar keine Pläne dafür, eine orchestrierte Version meiner Songs zu machen. Aber es wäre einfach verrückt gewesen, diese wundervollen Musiker nicht auch für Aufnahmen mit ein zu beziehen.

 

Wurden die Musikaufnahmen in Ihren Real World-Studios aufgenommen?

Nein, denn leider haben wir keinen Raum, der groß genug ist, um ein 46-köpfiges, beziehungsweise teilweise sogar 54-köpfiges Orchester, unterzubringen. Und in London gibt es nur zwei große, richtig gut klingende Studios. Wir waren schließlich in George Martins Air-Studio, welches ehemals eine Kirche war, ein wundervoll klingender Ort.

 

Was war bei den Neuarrangements für ein derartiges Orchester zu beachten?

Wichtig war es vor allem einen fantastischen Arrangeur zu finden, was uns mit John Metcalfe wohl gelungen ist, der ja schon bei „Scratch My Back“ dabei war. Außerdem wollte ich wirklich leere Stellen in der Musik behalten, wo vielleicht nur ein Instrument zu hören ist, bevor man in die orchestralen Teile übergeht, um eine dynamische Bandbreite zu erzeugen. Und es gab Einflüsse für die verschiedenen Bestandteile, die wir drin haben wollten. Bernard Herrmann, der mit Hitchcock gearbeitet hat, war so einer, auch Steve Reich oder Arvo Pärt. Und es gab eine Regel: Keine Gitarren, kein Schlagzeug! Klassische Percussion war dagegen erlaubt.

 

Die DVD ist auch im 3D-Format erhältlich. Ist dies Ihrer Meinung nach ein Standard, der sich durchsetzen wird, wie damals Stereo, oder vor ein paar Jahren Dolby Surround?

Ja, genau so sehe ich das. Der ganz einfache Grund dafür ist, dass wir mit zwei Augen geboren werden. Wenn man zwei Augen besitzt, die funktionieren, ist es nur logisch, dass man Sachen dreidimensional betrachtet. Nachdem die Leute sich daran gewöhnt haben und die Gimmicks verschwunden sind wird denke ich alles in 3D laufen. Und 2D wird dann vielleicht einen Stellenwert einnehmen wie die Schwarzweiß-Fotografie, als schönes, leicht nostalgisches Medium.

 

Sie besitzen also selbst auch einen 3D-Fernseher zuhause?

(Lächelt) Das Projekt war meine Rechtfertigung dafür, einen kaufen zu können! Und natürlich um ihn steuerlich absetzen zu können.

 

War die Naturaufnahme „A Quiet Moment“ von der Platte auch Teil des Live-Programms?

 Nein. Sie ist enthalten, weil ich eine Struktur aus den Songs entwickelt hatte, in die sie nach meinem dafürhalten reinpasste. „Solsbury Hill“, der Song danach, sollte erst gar nicht auf dem Album erscheinen. Aber da wir so viele Reaktionen bekamen, die danach verlangten, haben wir ihn mit draufgepackt, allerdings getrennt von den anderen Songs. Zuerst wollte ich einfach nur Stille als Trenner davor haben, aber das erschien mir irgendwie verwirrend. Also habe ich einen Techniker losgeschickt, mit zwei Mikrofonen und einem Aufnahmegerät, und er hat dann auf dem Solsbury Hill Geräusche aufgenommen.

 

Was hat dafür gesorgt, dass sie Anfang der 80er Jahre der Popmusik nach und nach den Rücken gekehrt haben und anfingen sich für afrikanische und World Music zu interessieren?

 Im Jahr 1980 war ich sehr begeistert von einigen Sachen, die ich aus dieser Richtung hörte, aber die Musik war nur schwer erhältlich, zu der Zeit. Also haben wir als erstes das WOMAD-Festival ins Leben gerufen und dann unsere kleine Plattenfirma Real World Records gegründet. Das hat mich da reingezogen. Ich habe mich immer dafür entschieden, ein möglichst interessantes Leben zu führen, da macht es auch keinen großen Unterschied, ob etwas nun erfolgreich ist, oder nicht.

 

Und auf der anderen Seite gibt es da „Scratch My Back“, ein Album voller Songs von gestandenen und recht neuen Popkünstlern wie Arcade Fire, Bon Iver oder Elbow. Verfolgen Sie die Entwicklung der modernen Popmusik noch?

Ich kriege sicherlich nicht alles mit, was so passiert, aber Leute schicken mir manchmal Sachen. Vor kurzem hat mir jemand beispielsweise Lana Del Rey geschickt, ihren Song „Video Games“, den ich für fantastisch halte. Meine Tochter hat mir vor „Scratch My Back“ Bon Iver nahegelegt, mein Techniker spielte mir Arcade Fire vor, das alles ist ein recht willkürlicher Vorgang.

 

Wie wichtig sind Ihnen visuelle Effekte und Videos heute?

Ich hatte schon immer ein Faible für visuelle Dinge. Ich empfinde mich nicht als sonderlich eloquent mit Worten, ich kann mich mit Bildern besser ausdrücken und habe in der Vergangenheit mit brillanten Leuten und guten Künstlern in diesem Bereich zusammengearbeitet. Das kickt mich immer wieder, denn mal lernt sehr viel dabei.

 

Wird es denn neue Videoclips zum Album geben?

 Zunächst gibt es nur den Live-Mitschnitt. Aber vor ein paar Tagen habe ich noch mal darüber nachgedacht, eventuell doch was zu machen. Andererseits sind die alten MTV-Tage vorbei und das Ganze findet heutzutage eher in einem Youtube-Umfeld statt. Ich hatte Glück damals, weil wir früh damit angefangen haben. Damals gab es noch große Budgets und kaum Regeln, der Videoclip war ein beinahe grenzenloses Medium.

 

Sie setzen sich mit der Organisation “Witness” dafür ein, dass Aktivisten mit Kameras und Equipment ausgestattet werden, um Menschenrechtsverletzungen dokumentieren zu können. Wie erfolgreich sind sie mit diesen Bemühungen bisher?

Als wir die Organisation gegründet haben war es so, dass Menschenrechtsverletzungen und Folter oder gar die Tötung von Kindern oder Familienmitgliedern verschwiegen oder geleugnet wurden, bis sie schließlich begraben und vergessen sind. Aber seitdem es die Möglichkeit gibt, Videobeweise davon zu präsentieren, ist das ziemlich schwierig geworden. Wir wollten Kameras in der Welt verteilen, das haben aber – ein wenig unfreiwillig – die Handyhersteller mittlerweile übernommen. Es also nicht ausschließlich ein Ergebnis unserer Bemühungen, aber eines der Ziele von »Witness« wurde damit erreicht. Deswegen ist die Aufgabe von Witness heute dahingehend verlagert worden, die Leute anzuleiten, mit dem aufgenommenen Videomaterial effizient umzugehen. Wie man Sachen filmt und dieses Material verbreitet beispielsweise. Wie man es schafft, dass das Material den Politikern vorgespielt wird und Öffentlichkeitsarbeit damit betreibt. Einige Leute, die während der Aufstände und Revolutionen in Ägypten, Tunesien und Syrien gefilmt haben, sind Teilnehmer von Witness-Videotrainings gewesen.

 

Die Handy-Kameras sind also Teil der Revolution?

Ja, sicherlich. Aber das ist auch gleichzeitig der kritische Part innerhalb der Medienwelt, denn in Syrien verweigert man ausländischen Journalisten schlichtweg den Zutritt. Die einzigen Berichte die man erhält, sind die von Youtube, Twitter und Facebook, die aus dem Land selbst kommen. Leider ist es aber auch so, dass dies es den Autoritäten ermöglicht, die Aktivisten zu identifizieren, um sie einzusperren oder vereinzelt auch zu töten. Es bleibt also eine gefährliche Sache, weswegen wir den Leuten auch zeigen, wie man Gesichter nachträglich verpixeln kann, sodass sie unkenntlich sind, oder wie man E-Mail-Adressen anonymisiert.

 

Warum haben Sie Ane Brun dafür ausgesucht, den weiblichen Part auf »Don’t Give Up« zu singen, der ursprünglich von Kate Bush gesungen wurde?

Sie hat eine großartige Stimme und war auf Tour mit mir, also war es eine logische Wahl.

 

Wie fühlt es sich an, auf der Bühne Fahrrad zu fahren, so wie Sie es 2002/2003 bei einem Auftritt zum Song »Solsbury Hill« gemacht haben?

(Lächelt) Ach, das macht großen Spaß. Die runde Bühne hat sich dazu ja auch noch im Kreis gedreht, was die Gefahr mit sich brachte, von der Bühne gekegelt zu werden, wenn man sich nicht wirklich konzentrierte. Manchmal konnte mich die Band dabei nicht sehen, es gab also auch eine gewisse Kollisionsgefahr. Aber es wird wohl eine einmalige Sache bleiben.

 

Sie scheinen so viele verschiedene Dinge zu machen, kümmern sich um Menschenrechte, nehmen Musik auf, unterstützen Musiker und produzieren deren Musik. Haben sie manchmal das Gefühl, das Ihnen die Zeit davonläuft oder sind sie eine getriebene Person?

Ich bin vor allem erneut Vater geworden und dafür mache ich sehr strikte Regeln. Nach Möglichkeit nehme ich mir während der Schulferien frei, ich arbeite nicht am Wochenende… okay, mit bestimmten Ausnahmen, und ich versuche jeden Abend zuhause zu sein, um die Kinder ins Bett zu bringen. Es ist also fast wie eine ganz normale Fünf-Tage-Arbeitswoche.

 

Und das schafft man alles innerhalb eines normalen Wochenpensums?

Ja, das klappt fast immer. Ich habe mich jedenfalls der Fünf-Tage-Woche sehr viel stärker angenähert, als es früher der Fall war.

 

Was war der Grund dafür, dass sie 2005 Shareholder des Mischpultherstellers Solid State Logic (SSL) geworden sind?  

Ich war sozusagen der erste Musiker, der ein Mischpult bei ihnen gekauft hat und kannte die Firma deswegen ganz gut. Irgendwann sind sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten und da ich und Dave Engelke große Fans ihrer Produkte waren, beschlossen wir, uns finanziell zu beteiligen. Sozusagen um zu gucken, ob es für uns als Investition funktionieren würde. Ich hatte in den letzten Jahrzehnten recht wechselhafte Erfolge mit Investitionen, aber in diesem Fall läuft es glaube ich ganz gut (lächelt).

 

Was muss ein Musiker mitbringen, um in den »Real World Studios« aufnehmen zu können? Oder nehmen Sie dort auch den lokalen Kirchenchor auf, wenn er freundlich darum bittet?

Das hängt natürlich davon ab, welche Kirche es ist (lacht), aber klar! Es ist ein kommerzielles Studio, das jedem zur Verfügung steht, der den Preis bezahlen will. Aber wir machen auch öfter karitative Projekte in den Real World Studios. Es ist tatsächlich ziemlich hart geworden, ein Tonstudio in der heutigen Zeit kommerziell zu betreiben, viele Studios in England haben mittlerweile zugemacht. Und auch wir mussten uns verkleinern, einfach weil viele Leute die Sachen selbst mit Pro Tools oder Garageband machen oder schlicht nicht mehr die Budgets haben, die es früher mal gab.

 

Nach all den Erfahrungen, die Sie mit den unterschiedlichsten Menschen und Projekten gemacht haben: Sind Sie der Meinung, dass die Welt sich zum Besseren entwickelt hat?

Naja, sie bietet uns mittlerweile großartige Perspektiven. Ob wir diese verantwortungsvoll und weise nutzen wird sich herausstellen. Ich bin aber optimistisch, dass das passieren wird.

Stehen sie eigentlich noch in regelmäßigem Kontakt zu ihren ehemaligen Kollegen von Genesis?

Es gibt keinen ständigen Kontakt, aber sie waren auf meinem 60. Geburtstag eingeladen. Wir kommen prima miteinander klar, aber wir sehen uns nicht regelmäßig.

 

Das Interview wurde im Oktober 2010 geführt und erschien u.a. in der Zeitung "Mittelbayerische".


:::Interview

Heike Makatsch

»Ich möchte nicht auf Spielplätzen von Paparazzi fotografiert werden.«

Frau Makatsch, mit Ihrem Lebensgefährten Max Schröder haben Sie gerade eine CD mit Kinderliedern aus dem »Großen Liederbuch« des Diogenes Verlag aufgenommen, darunter »Bruder Jakob«, »Hänschen klein« und »O du lieber Augustin«. Haben Sie zu den Liedern eine persönliche Beziehung?
Makatsch: Ja, das habe ich! Gerade zu dem Liederbuch habe ich einen Bezug. Es kam in den 70er Jahren auf den Markt, mit den Illustrationen von Tomi Ungerer und natürlich hatten wir es auch bei uns im Haushalt. Mein Vater hat immer viel Gitarre gespielt, und dabei haben wir auch die Lieder aus dem Liederbuch gesungen. Ich habe mich auch immer besonders an den Illustrationen von Tomi Ungerer erfreut. Als ich das Buch mal wieder aufschlug, jetzt, so viele Jahre später, kamen gleich ganz viele Erinnerungsfluten auf mich zu.

 

Und die Idee zur CD…
Makatsch: Die kam vom Diogenes-Verlag. Die sind auf uns zugekommen, also auf mich in erster Linie, und haben vage gefragt, ob ich bei der Jubiläumsausgabe des Liederbuches, welches seit 35 Jahren im Diogenes-Verlag verlegt wird, musikalisch mitwirken würde. Da ich eben diese Verbindung zu dem Liederbuch habe, fand ich die Idee grundsätzlich gut. Ich habe mir überlegt, wie man die Lieder angehen könnte, so dass sie etwas mit mir zu tun haben. Und ich das auch vor mir vertreten kann, dass ich so "konservatives" Liedgut intoniere (lacht). Ich habe Max gefragt, ob er sich das vorstellen könnte. Das konnte er, der Diogenes-Verlag auch und so kam es dann zustande.

 

 

»Die Gedanken sind frei« fällt als politisches Lied ein wenig aus dem Rahmen. Wieso ist es enthalten?
Makatsch: Weil es im Buch ist. Aber stimmt, wir haben da schon eine Selektion gemacht. Wir haben es genommen, weil wir es für ein gutes Lied halten. Weil es das Spektrum erweitert und ein bisschen wegführt von »Grün, grün, grün, sind alle meine Kleider«. Und weil es den Kindern noch ein bisschen revolutionäres Gedankengut mitgibt.

 

 

Haben Sie sich vorher Nenas Kinderlieder-CD »Komm, Lieber Mai« von 1991 angehört? Und würde es Sie stören, wenn man Sie jetzt mit Nena vergleicht?
Makatsch: Überhaupt nicht. Ich finde, es wäre eine Ehre, mit ihr in einer Reihe genannt zu werden, weil sie eine etablierte Pop-Sängerin ist, damit habe ich kein Problem. Ich finde, sie hat das gut gemacht, in ihrer Art, das zu singen. Es ist Nena und das hört man auch sofort.
Ich kenne auch den Produzenten der Platte, Jens Kuphal – mit ihm habe ich die Hilde-Platte produziert, so schließt sich der Kreis. Aber wir haben die CD nicht wirklich als Inspiration oder als etwas Gegenteiliges betrachtet, sondern einfach mal reingehört, was Nena da so gemacht hat.

 

 

Die Arrangements auf »Die schönsten Kinderlieder« klingen frisch, wirken souverän und tragen deutlich die Handschrift von Max Schröder. Ist es diese Diskrepanz zwischen klassischem Liedgut und zeitgemäßer Umsetzung, die als »Childrens Music« aus Amerika herübergeschwappt ist?
Makatsch: Wie meinen Sie das jetzt?

 

 

Im Begleitschreiben Ihrer Plattenfirma wird zum Beispiel auf die amerikanische Alternative-Band »They Might Be Giants« verwiesen, als Initiatoren dieser »Childrens Music«.
Makatsch: Ich glaube, Max hat sich das nicht als Vorbild genommen. Er hat sich glaube ich vorgenommen Musik zu machen, die ihm gefällt und sich ein paar CDs auf den Tisch gelegt, um zu hören, was er da gerne machen möchte, wo er stilistisch hin will. Er hat ja auch nicht nur eine Richtung eingeschlagen, sondern sich ein ziemlich breites Spektrum erlaubt. Ich glaube, Max geht da relativ intuitiv vor, so dass er das, was das Lied in ihm anschlägt, in der Musik umsetzen kann. Er kommt eben aus diesen Kreisen der Indie-Musik und natürlich ist da auch amerikanische Indie-Musik dabei, das spiegelt sich darin wieder. Aber es lag zum Beispiel auch die Platte »Rubber Soul« der Beatles bei ihm auf dem Tisch, das geht also auch noch weiter zurück.

                                               Alle Fotos: (c) Joachim Gern

 

Wie wichtig ist Ihnen Hausmusik oder die Vermittlung von klassischen Kinderbüchern an Ihre eigenen Kinder?
Makatsch: Bei uns wird jetzt nicht so wahnsinnig viel Hausmusik gemacht, aber wir singen schon, während Autofahrten, und wenn es mal langweilig wird. Ich denke es ist erst mal gut, wenn die Kinder überhaupt singen, egal, ob sie Pipi Langstrumpf singen, oder "Wenn ich ein Vöglein wär’". Es ist schön, wenn dadurch so ein kollektiver Pool von Liedern, Märchen, Büchern oder Geschichten entsteht, auf den die Kinder dann untereinander zurückgreifen können. Es sollte etwas Verbindendes darin stecken, Generationen verbinden, aber auch die Kinder untereinander. Ich denke, die Lieder haben schon irgendwie Bestand. Man kann ja sehen, dass da eine Freude in den Kindern entsteht, wenn sie merken, dass über ein Lied Konsens herrscht.

 

 

Wie stehen Sie heute zur Berichterstattung über Ihre Person, z.B. wenn ein Magazin Sie und Herrn Schröder zum schicksten Promipaar kürt…
Makatsch: Ach, das ist mir egal, damit habe ich ja nichts zu tun. Aber ich rede nicht detailliert über unser Privatleben. Ich möchte nicht auf Spielplätzen von Paparazzi fotografiert werden.

 

 

Ist es nicht auch eine Art von Respektsbekundung, wenn die Geburt des zweiten Kindes eine Meldung wert ist? Muss man das als erfolgreiche Schauspielerin in Deutschland nicht einfach aushalten?
Makatsch: Nein, das sehe ich gar nicht so. Ich bin Schauspielerin und Mutter. Beides ist für mich total zu trennen. Es gehört zu meiner Arbeit über Filme, die ich drehe und Projekte, die ich mache zu sprechen. Dazu gehören aber nicht meine Kinder.

 

 

Es ist also eine freie Entscheidung, ob man sich auf den Boulevard begibt und Teil davon wird, oder nicht?
Makatsch: Ehrlich gesagt glaube ich schon, dass man darüber bis zu einem gewissen Grad entscheiden kann, ja. Wenn jemand meint, uns zu einem schicken Paar wählen zu müssen, dann kann er das ja gerne machen. Aber sobald ich da aktiv mitwirken soll, würde ich mich gerne zurückziehen.

 

Makatsch: Das kann man natürlich nur bedingt. Man kann es sich aussuchen, aus einer gewissen Anzahl von Möglichkeiten, aber eben nicht aus allen Möglichkeiten. Je weiter sie gesteckt sind, desto privilegierter fühlt es sich natürlich an. Aber ja, es war von je her eine Voraussetzung, für das was ich mache. Vielleicht ist es aber so, dass man in den heutigen Zeiten die Parameter etwas anders steckt. Aber natürlich habe ich schon eine Grundhaltung, der ich versuche nahe zu bleiben.

 

 

Spielt die Altersfrage des Publikums für Sie dabei eine Rolle? Würden Sie in einem FSK-18-Film mitspielen?
Makatsch: Ich weiß gar nicht, was der beinhalten muss, damit er diese Auszeichnung bekommt. Wenn es ein interessantes Projekt wäre, würde es mich aber nicht davon abhalten. Wenn es ein interessanter Film wäre, der an Grenzen geht, die dann dieses Prädikat, oder wie man das nennt, erfordern, würde das nicht grundsätzlich dagegen sprechen.

 

 

Ab welchem Alter würden Sie Ihren Kindern erlauben, alle Ihre Filme zu sehen, oder gibt es dabei Ausnahmen?
Makatsch: Ich hoffe, dass meine Kinder erstmal ganz lange noch kein Fernsehen gucken.

 

Das Interview wurde im Januar 2010 geführt.