:::Interview
Soulwax

Heimatgefühle und Turntables

Nach ihrem Soundcheck und lange vor ihrem wilden Auftritt beim Kontroll-verlust-Abend namens »25 Jahre Intro Live« in Köln setzen sich Stephen und David Dewaele, alias Soulwax alias 2manydjs, in die Sonne, um über das Auflegen, Rockismen und Sammelleidenschaft zu plaudern. 

Foto: Alex Salinas

 

Ihr habt Ihr habt seit »Nite Versions« von 2005 kein reguläres Soulwax-Album mehr gemacht. Gab das »Transient Program for Drums and Machinery«-Line-up den Ausschlag für die neue Platte?

 Stephen: Letztes Jahr sind wir auf dem Coachella mit James Murphy und dem Despacio Soundsystem aufgetreten, wir hatten noch keine neue Band. Da entstand die Idee eines Line-ups mit drei Schlagzeugern. Wir wollten selbst auf der Bühne mischen und haben für die folgenden Shows neue Songs geschrieben. Das ging uns ziemlich leicht von der Hand. Danach wollten wir die Sachen aufnehmen, uns dabei aber zeitlich beschränken, weil wir Angst hatten, sonst erst in zwei Jahren fertig zu werden. Also haben wir das Album im Januar 2017 innerhalb von zwei Tagen live in unserem Studio eingespielt.

 

Klanglich habt ihr euch vom Alternative-Gitarrenrock entfernt, mit dem ihr 1998 bekannt geworden seid. Ist der Gitarrenrocksound für Soulwax ausgereizt?

David: Ich würde einen Soulwax-Song darauf eingrenzen, dass wir ihn geschrieben haben und Steph singt. 2manydjs ist da viel freier, weil die Musik von jemand anderem die Basis ist, auch wenn wir mit dem Material allerhand anstellen. Bei Soulwax ist es immer vollständig unsere Schöpfung, egal, ob es am Ende ein Reggae-Stück oder elektronische Musik wird.

S: Je länger wir diese Tour machen, desto mehr bekomme ich aber Lust, mal wieder eine Rockplatte zu machen. Wir sind schlecht darin, uns auf eine einzige Komponente zu fixieren, und leider auch schlecht darin, eine Rockband zu sein.

 

Zu eurer aktuellen Tour-Installation, deren Aufbau identisch ist mit dem verwendeten Studioequipment der Platte, habt ihr eine genaue Liste der verwendeten Instrumente und Synthesizer veröffentlicht. Warum?

D: Wir sind große Krautrock-Liebhaber, und bei den Platten von Tangerine Dream oder Klaus Schulze gab es auch immer eine genaue Auflistung der verwendeten Synthesizer.

S: Es ist eine Art Manifest, weil wir nicht alle Synths und Instrumente, die wir besitzen, benutzen wollten, sondern eine gezielte Auswahl, die wir jetzt auch mit auf Tour haben. Es war erneut eine bewusste Beschränkung, die es uns überhaupt ermöglicht hat, diese Album- und Tour-Idee umzusetzen.

 

Ihr seid also fanatische Equipment-Sammler?

D: [seufzt] Ja, schon. Aber nicht nur Equipment. Wir sammeln auch Platten, Bücher, Videos, alles, was uns innerhalb der Popkultur interessiert.

S: Wir machen das schon seit 30 Jahren.

 

Ihr habt in einem Interview mal gesagt, dass ihr mit dem DJen auf der Tour zum zweiten Album angefangen habt, weil ihr es leid wart, jeden Abend das gleiche Set zu spielen ...

S: Wir waren es nicht leid, aber zu der Zeit waren wir als Support von Muse oder Coldplay unterwegs und schon um halb neun fertig mit der Show. Wie also den restlichen Abend gestalten? Wir entschieden uns, Platten aufzulegen, weil wir die Dancemusic zu der Zeit überhaupt nicht cool fanden. Die hatte kein Feeling. Daraus ist 2manydjs entstanden. Zwar kamen neun von zehn Leuten anfangs auf uns zu und sagten, wir sollten lieber fucking Deephouse auflegen, aber für den einen Fan, der unser Set gut fand, für den haben wir das gemacht. Können wir in diesem Club Slayer auflegen und damit durchkommen? Darum ging es.

 

Ist Soulwax denn jetzt wieder eine Band?

 S: Ja, ich glaube, der Kreis hat sich geschlossen. Wir denken tatsächlich gar nicht so viel darüber nach. Es ist ein organischer Prozess, aber vielleicht auch das pure Chaos.

 

Ihr habt Remixe für Künstler wie Gossip, MGMT oder Warpaint gemacht. Bekommt ihr gezielt Anfragen, oder sucht ihr die Künstler selbst aus?

D: Meist ist es so, dass wir bei den Plattenfirmen anfragen, wenn wir der Meinung sind, dass einem Song noch ein bestimmter Kniff fehlt.

S: Es geht auch darum, dass wir die Songs als Remixe in unserem eigenen Set auflegen wollen. Der Hot-Chip-Remix war beispielsweise etwas, was ausdrücklich beim Despacio Soundsystem laufen sollte. Rechtliche Probleme gibt es meist eher mit den Plattenfirmen. Die Künstler sind cool, weil sie wie wir eine große Hingabe zur Musik empfinden und nicht ausschließlich wirtschaftlich denken.

 

Sucht ihr auch für euer Studio selbst die Künstler aus, oder kann jeder bei euch Studiozeit buchen?

D: Wir nehmen nur Leute auf, die wir auf unserem eigenen Label Deewee veröffentlichen.

S: Momentan ist es überwiegend Dance-lastiges Zeug, die jungen Kids wollen eben solche Sachen machen. Wir sind ja eigentlich Indie-Rocker, die aus unerklärlichen Gründen in der Dancemusic gelandet sind. Unsere Roots liegen bei Kyuss und Monster Magnet und solchen Bands. Dieses Ethos steckt auch in unseren DJ-Sets und in den Mash-ups, die wir gemacht haben.

 

Ihr seid als DJs und Musiker viel unterwegs, hegt aber nach wie vor eine große Heimatverbundenheit zur Stadt Gent. Hattet ihr nie das Bedürfnis, woanders zu leben?

D: Wir haben mittlerweile auch ein Zuhause in London gefunden und reisen hin und her. Manchmal ist es deprimierend in Gent, aber da sind eben unsere Roots, und unsere Eltern wohnen dort.

S: Du bist echt deprimiert in Gent?

D: Ja, manchmal schon, wenn ich lange da bin.

S: [lacht] Warum haben wir dann dort unser Studio gebaut und nicht in London?

D: Na, weil wir kein Geld hatten, um es in London zu bauen!

S: Ja, das stimmt auch wieder.

 

Euer Vater Jacky ist in Belgien ein bekannter Moderator. Seid ihr also so etwas wie eine VIP-Familie? Wollen die Leute auf der Straße Selfies mit euch machen?

S: So was wie VIPs gibt es in Gent nicht!

D: Wenn wir oder unser Vater über die Straße laufen, halten die Leute nicht an, um ein Foto zu machen oder ein Autogramm zu verlangen.

S: In anderen Städten passiert das schon mal, in Gent sind die Leute gechillt, deswegen mag ich die Stadt auch so.

 

[Klaas Tigchelaar]

 

Das Interview fand im April 2017 statt und erschien im Musikmagazin intro.