Wie war das - »Don't Look Back In Anger«? Auf seinem ersten Soloalbum gibt sich Liam Gallagher, der sich über Jahre einen Ruf als rüpeliges Großmaul
erarbeitete, erstaunlich selbstkritisch und geläutert.
Während die Liebe zur Ex-Frau Nicole Appleton für ehrliches Textmaterial auf »As You Were« sorgt, bleibt die Musik stets in der Nähe des alten Flaggschiffs Oasis,
das Liam nur zu gerne wiederbeleben würde.
Vielleicht wird durch geballte Rückschläge sogar der ehemaligen Oasis-Sänger irgendwann weich und nachdenklich. 2014 trug Liam das Oasis-Nachfolgeprojekt »Beady Eye« frustriert zu Grabe. Im
selben Jahr endete offiziell auch die Ehe mit der früheren All-Saints-Sängerin Nicole Appleton. Auslöser hierfür war Liams medial ausgeschlachtete Affäre mit der Journalistin Liza Ghorbani, mit
der er obendrein ein Kind zeugte.
Wenn sich Liam nun als plötzlich braver Popstar gibt, so haftet dem natürlich auch ein bisschen Inszenierung an. Erst kürzlich bekräftigte der 45-Jährige in der
englischen Zeitung »Independent«, dass auf »As You Were« seine bisher ehrlichste Musik zu hören sei. Und natürlich ließ er nicht unerwähnt, dass er eigentlich viel lieber ein Oasis-Album
aufgenommen hätte. Ob daraus noch etwas wird? Schließlich geht der ältere Bruder Noel (50), der den gemeinsamen Oasis-Welterfolg mit größerer Distanz zu betrachten scheint, inzwischen aus
Überzeugung eigene Wege.
So oder so: Bei Liam haben die vermeintliche Altersmilde und die Zwangs-Selbstständigkeit künstlerisch einen Fortschritt erwirkt. Erstmals hat er sich nicht nur als
Texter, sondern verstärkt auch als Songwriter und Produzent mit eingebracht. Trotzdem klingt »As You Were« wie ein alter Bekannter: Immer wieder tauchen Harmonien und Gesangslinien auf, die stark
an Oasis erinnern. Aber was gestern gut war, muss heute nicht völlig daneben sein. »Bold« jagt mit einem choralen Refrain besonders eifrig den alten Erfolgen nach, während ein ruhiger Song wie
»Paper Crown« sich eher an die Beatles anlehnt.
Würde hier also nicht bloß Liams Name draufstehen, sondern die Trademark der vereinten Gallagher-Brüder, könnte man »As You Were« glatt mit einem Oasis-Album
verwechseln - und es wäre definitiv als eines der besseren einzuordnen. Kein »(What's The Story) Morning Glory?« oder »Definitely Maybe«, aber ein eingängiges Britpop-Album in bester Tradition,
mit dem markanten Sound, der auch 20 Jahre später noch im Ohr hängen bleibt. Liam solo ist also zumindest ein bisschen wie Oasis, nur ohne den ewigen Bruderzwist - was mancher sicher auch ganz
schön finden wird.