Breeders
All Nerve
4AD/Beggars/Indigo VÖ 02.03.2018
Kim und Kelley klingen zusammen mit Josephine Wiggs und Jim MacPherson immer noch genau wie damals. Bratende Gitarrenakkorde, Lo-Fi-Gesänge und elfenhafte Chöre ziehen sich durch insgesamt elf Songs, von denen lediglich die Single »Wait In The Car« als wirklich catchy im Gedächtnis bleibt und dabei trotzdem wie ein Teile-Monster aus dem eigenen Best-of-Band-Baukasten wirkt. Das reicht wie so oft in letzter Zeit jenseits der schönen Erinnerungen für ein fulminantes Comeback leider nicht aus. Die alten Kamellen und Lieblinge der Fans dürften auf der begleitenden Tour also weiterhin im Fokus stehen.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht bei intro 26.02.2018
Dead Kittens
Pet Orbituaries
Noisolution / Soulfood / VÖ: 02.02.2018
Der niederländische Comiczeichner Dirk Verschure und der aus Israel stammende und in Berlin lebende Produzent Oded K.dar trafen sich in der deutschen Hauptstadt und beschlossen spontan, ihre Wut in einem Musikprojekt zu kanalisieren. Schlagzeug, Bass, Samples und rotzig gesprochene oder gebrüllte Texte holen zwar nicht direkt den Innovationspokal ab, trotzdem sind Dead Kittens schon bei diesem Debüt durchaus eigensinnig. Bass und Schlagzeug dröhnen wie bei der 1990er-Crossover-Band Clawfinger, während die textliche Ebene und auch die zusätzlichen Sounds eher an die niederländischen Anarcho-Punks The Ex erinnern.
Es ist inzwischen genug Zeit vergangen, um diese weit voneinander entfernten Assoziationen frech und neu zusammenzufügen. Der Fokus dieses Duos liegt ohnehin wohl eher im Live-Bereich, wo man die Wut gezielt und mit Spaß abfeiern kann. Bei den Aufnahmen im Heimstudio ging es dagegen um das Vermischen von vermeintlich unvereinbaren Klängen. Momente mit Wettbewerbscharakter gibt es reichlich, Ministry, Melt Banana oder Dead Kennedys fliegen vorbei, eher mit humorvoller Provokation als mit der Vorgabe, einen relevanten Teil zur Musikgeschichte beizutragen.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht bei intro 26.02.2018
Screaming Females
All At Once
Don Giovanni Records/H'Art VÖ: 23.02.2018
Rockmusik, Gitarrensoli, Virtuosität – so weit die langweiligen Showdisziplinen. Die Screaming Females beweisen trotz ihrer unverblümten Lagerzugehörigkeit,
dass auch in diesem Segment noch Goldstücke zu schürfen sind.
Im ollen, nimmermüden Lederjacken-Zirkus Rock sind Alleinstellungsmerkmale längst die wichtigste Visitenkarte. Wie will man sich sonst von
den anderen 400.000 Bands unterscheiden, die eine speckige Stromgitarre geradehalten können, während die Bartfratze im Hintergrund auf die Trommeln prügelt? Screaming Females-Frontfrau Marissa
Paternoster hat dafür nicht nur einen peppigen bürgerlichen Namen zu bieten, sondern auch ein wuschelig-introvertiertes Erscheinungsbild, das solche Stereotypen konterkariert. Dazu verfügt sie
noch über ein äußerst flinkes Gitarrenspiel (Platz 77 in der Rangliste »Greatest Guitarist« des Spin-Magazins) und eine einnehmende Stimme.
Irgendwo zwischen Gwen Stefani und PJ Harvey schimmert ihr Gesang prägnant aus der Wall of Soul ihrer Band hervor. Trotz ganzer 15 neuer Songs (inklusive des
bedeutungsschwangeren Zweiteilers »Chamber For Sleep«) wirkt ihr von Matt Bayles (Pearl Jam, Mastodon) produziertes Album »All At Once« erstaunlich kurzweilig. Die wenigen Genre-Klischees werden
zu ironischen Randnotizen, die mit starken Melodiebögen eine größere Welle auftürmen, als es der Gitarrenrock dieser Tage sonst meist hinkriegt.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht bei intro 19.02.2018
Caroline Rose
Loner
Play It Again Sam / New West / Rough Trade / VÖ 23.02.2018
Spätestens mit ihrem knackigen »Tiny Desk«-Mini-Konzert für NPR (National Public Radio) im Jahr 2015 sollte die quirlige und talentierte Caroline Rose viele Fans des amerikanischen Post-Folk- und Songwriter-Genres erobert haben. Die typische rote adidas-Trainingsjacke, eine kleine Band mit »Fuck Fear«-T-Shirts und ein mitreißender Auftritt (natürlich zu finden auf Youtube), dem viele gute Soloauftritte und das Album »I Will Not Be Afraid« (2014) vorausgingen.
Dass die Songwriterin aus Vermont da eventuell noch weit unter ihren Möglichkeiten blieb, beweist ihr neues Album. Erstmals hat sie nicht nur co-produziert, sondern neben Gitarren auch fast alle Bässe, Tasten, Synthis und Schlagzeugspuren eingespielt. Humor? Klar, der ist vom selbstironischen Coverfoto bis hin zur nach wie vor präsenten Hamburger-Schule-Jacke immer noch sehr wichtig, auch wenn die tanzbare, leicht elektronische Abkehr vom Folk-Zirkus gleichzeitig mit verstärkter Sozialkritik (»Money«) einhergeht. Dazu gehört auch die Neuauflage von »I’ve Got Soul« (jetzt »Soul No.5«), musikalisch leicht schräg angedickt und mit einem neuen Text, der mit sarkastischer Sub-Ebene in das #Metoo-Sprachrohr brüllt.
Außerdem finden sich viele kleine Indie-Helden-Zitate, Anklänge bei Blur und der prägnante Synthisound von Metronomys »The Look«, in den sich auch Rose ohrenscheinlich verliebt hat. Eine sehr kurzweilige, großartige und textlich relevante Karussellfahrt auf einem Jahrmarkt, der auch viele düstere Ecken kennt. Ziemlich sicher schon jetzt unter den Top 5-Platten des Jahres.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht beim Stadtmagazin schnüss 02.04.2018
Superchunk
What A Time To Believe
Merge/Cargo VÖ: 16.02.2018
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht bei intro 13.02.2018
Dabrye
Three/Three
Ghostly International/Cargo VÖ: 16.02.2018
Der Abschluss von Dabryes Trilogie setzt verstärkt auf HipHop-Einflüsse und zahlreiche Features. Als solide Schnittstelle zwischen Elektronik und HipHop ist das
aber nach wie vor überzeugend.
Ein dreiteiliges Kunstwerk im verschrobenen Segment der elektronischen Musik, mit HipHop-Schwerpunkt und ganzen 19 Tracks für den abschließenden dritten Teil – das
kann man ruhig künstlerisch anspruchsvoll nennen. Der aus Michigan stammende Produzent (der auch als James T. Cotton, SK-1 oder unter seinem schrägen bürgerlichen Namen Tadd Mullinix in
Erscheinung tritt) wird dabei allein schon für seine Feature-Liste Aufmerksamkeit einsammeln: Ghostface Killah, Danny Brown, Doom, Roc Marciano und Jonwayne sind nur einige der beteiligten Stars,
die den verrückt zirpenden Sound von Dabrye mit Oldschool-Rhymes versorgen.
Während Teil eins »One/Three« noch rein instrumental daherkam, ist hier fast jeder Track betextet. Und nicht nur die Rap-Styles sind weit jenseits des Mainstreams, auch die Hintergrund-Sounds
zwischen Arcade-Soundtrack und deepem Electro sorgen dafür, dass der Mainstream hier lieber fernbleibt. Genrefremde Abenteurer werden von diesem cleveren Mash-up aber sicherlich angelockt. Glück
übrigens für Vinyl-Sammler: Das limitierte Vinyl-Box-Set enthält zusätzlich die Reissues von »One/Three«, »Instrmntl« und eine Nachpressung des raren, weil lange nicht erhältlichen
»Two/Three«.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht bei intro 13.02.2018