Jenn Champion
Single Rider
Hardly Art / Cargo / VÖ 13.07.2018
Die Liebe zum schmelzigen Synth-Pop der 1980er Jahre kam spät. Vorher durchlief Jennifer Hays (alias Jenn Champion) eine Entwicklung mit melancholischem Indierock bei der Band Carissa’s Wierd und dem Projekt »S«.
Nicht ganz unschuldig an ihrer neuen Beziehung ist wohl auch Produzent Brian Fennell (Barcelona, SYML), mit dem sie zunächst »Leave Like That« aufnahm (enthalten auf SYMLs EP »Hurt For Me«), und schließlich auch dieses erste Album. Aus krakeligen Synthesizer-Skizzen von Champion wurden saubere, träumerische und todtraurige Electro-Popsongs, die den Sounds und den Sternchen der 80er auf eine angenehm-distanzierte Art huldigen.
»O.M.G. (I’m All Over It)« ist nicht nur die erste Single, sondern auch ein Beweis, dass cheesy Synthesizerflächen nicht zwangsläufig in den Sondermüll gehören. In Songs wie »Hustle« oder »Going Nowhere« kriegen die tränenreichen Texte Vorfahrt, nur mit Klavier, kleinen Soundschnipseln und sanften Chorgesängen verziert. Dass diese beiden Stücke am Ende der Platte liegen, ist dem Spannungsbogen geschuldet, schafft aber vor allem mit letztgenannter Nummer, eine hippe Querverbindung zu den aufgekratzten Gören von HAIM, mit denen Jenn Champion sonst so gar nichts gemeinsam hat. Trauer ist indes ein höchst variables Gefühl und dieses Debüt eine sanfte schimmernde Perle, bei der das Selbstmitleid stets erfreulich gut klingt.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht im Stadtmagazin Schnüss 13.07.2018
Goldfrapp
Silver Eye Deluxe Edition
Mute / Rough Trade / VÖ 06.07.2018
Obwohl das bereits im März erschienene Album von Goldfrapp ganz gut in die Hitparaden rutschte (Platz 6 in den UK-Charts, Platz 31 in den deutschen Charts), schiebt das Label nun bereits eine aufgepimpte Deluxe-Edition nach.
Ist das also schlichtweg Resteverwertung, oder will man damit die ein oder andere Rezensions-Kritik abmildern, die Alison Goldfrapp und Will Gregory für das Album ein wenig altersmildes »Arbeiten nach Vorschrift« vorgeworfen haben? Wer sich auf dieses Doppelalbum (oder eben die lange digitale Playlist) konzentriert, findet vor allem erstmal eine neue Version von »Ocean« mit Dave Gahan (Depeche Mode), dessen Gesang dem Song durchaus eine neue, kribbelige Dimension verleiht. Daneben sind diverse Remixe, u.a. von Chris Liebing, Joe Goddard (Hot Chip) sowie Will Gregory selbst vertreten, der sich den Song »Anymore« erneut vornimmt. Die Deluxe Edition ergibt am Ende gut anderthalb Stunden Spielzeit, die in der Verlängerung schlicht etwas verspulter, technoider und progressiver wirkt, was sonst eigentlich nicht direkt in Goldfrapps Portfolio passt. Am Ende wissen aber wohl nur die Marketingstrategen der Plattenfirma alleine, warum dieser Nachschlag schon jetzt, und nicht erst zum Kaufrausch rund um das Weihnachtsfest auf den Markt kommt.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht im Stadtmagazin Schnüss 06.07.2018