KMPFSPRT

Gaijin
People Like You Records / Sony / VÖ 30.03.2018

Ist da immer noch Platz zwischen Adam Angst, Post-Hardcore, Deutschpunk und den Ärzten? KMPFSPRT treffen den Nerv der Zeit, zeigen politisch Kante. Nur musikalisch ist nicht ganz klar, ob das jetzt Kellergeknüppel oder Stadionrock sein möchte.

Chöre? Ja, KMPFSPRT stehen jetzt auf Chöre, etwa in »Pauken & Trompeten«. Vielleicht ein wohliger Ausgleich für das Unbehagen und die Wut, die der Alltag immer noch und vielleicht immer stärker hervorruft: »Wir kleiden uns schwarz, weil es dunkler nicht geht« (»Schwarz«). Gegen Dummheit und Missstände spielen KMPFSPRT auch auf »Gaijin« (japanisch für Außenseiter) wieder an. Ein bisschen mehr Post-Deutschpunk, ein bisschen weniger Post-Hardcore und mit Daniel Plotzki als neuem Schlagzeuger (der ehemals mit Dennis und Richard bei Fire In The Attic spielte) auch etwas wohltuendes Jugend-Sentiment.

Keine Frage, die relevanten textlichen Botschaften sortieren die Band bei den Guten ein. Das vollmundige Gitarrenrock-Korsett untermalt diese Dringlichkeit, unternimmt aber auch den Versuch, glückselige Refrains und schnelles Geballer zu vereinen. Befreit vom stumpfen Bierdosenimage des Deutschpunk und weg vom Screamo-Geknüppel der Frühphase, pinnt das die Zustandsbeschreibung unsicherer Twentysomethings möglicherweise adäquat fest. Der künstlerische Anspruch indes würde sich ein bisschen mehr Brechstange und Panik und weniger Harmonieseligkeit wünschen.

 

Klaas Tigchelaar // veröffentlicht bei intro                                                                                                        26.03.2018


Altin Gün

On
Bongo Joe / Broken Silence / VÖ 29.03.2018

Bei einem Auftritt mit Jacco Gardner in Istanbul entdeckte Bassist Jasper Verhulst den türkischen Psychedelic-Sound der 1970er Jahre.

 

Fasziniert von diesem in unseren Breiten nahezu unbekannten (weil damals wie heute schwer erhältlichem) Kulturgut, stellte er in seiner Heimat Amsterdam anschließend eine Band zusammen, um die Songs von Neşet Ertaş, Selda Bacan, Bari Manço und Erkin Koray in ein zeitgemäßes Klangbild zu überführen.Gemeinsam mit Sängerin Merve Dasdemir und Sänger/Saz-Spieler und Keyboarder Erdinc Yildiz Ecevit und weiteren Musikerkollegen schlägt er als Altin Gün nun die Brücke zwischen trocken-funkigem Psychrock und orientalischem Zuckerguß, der dem langsam abklingenden Psychedelic-Revival hierzulande neue Fahrt verleiht.

 

Präzise grooven die Niederländer (lediglich Merve Dasdemir ist erst vor einigen Jahren der Liebe wegen aus Istanbul in die Niederlande gezogen) sich durch den türkischen Klangfundus, angereichert mit einigen Traditionals. Türkischer Gesang und orientalische Tonfolgen betten sich in ein Soundgerüst, dass nicht weit weg von Tame Impala, Ozric Tentacles oder deutschem Krautrock seine ausufernden Fäden spinnt, deren Faszination vor allem aus dem intensiven Zusammenspiel schöpft. Eine mitreißende wie originelle Platte, der wohl demnächst auch eigene Kompositionen folgen sollen.

Klaas Tigchelaar // veröffentlicht im Stadtmagazin Schnüss                                                                       30.05.2018


The Ex

27 Passports
Ex Records/Cargo VÖ 23.03.2018

Nach acht Jahren legt die Anarcho-Politpunk-Referenz aus Amsterdam ein neues Album vor. Sie blickt auf beinahe vier Dekaden Bandgeschichte zurück, in der die Musik immer kakofonisches Transportmittel für wichtige Texte war.

 

Obwohl linke politische Botschaften ein Anliegen sind, beließen es The Ex nie bei schnöden Parolen. Natürlich spielen der Albumtitel, die Bilder des Fotobuchs und auch Texte wie der von »New Blank Documents« auf die Flüchtlingsproblematik der vergangenen Jahre an. Aber die Gedanken und Botschaften gehen viel weiter, wie auch diese dramatische soziale Entwicklung nicht mit abstrahiertem Schwarz-Weiß-Denken umklammert werden kann. Deswegen sind Bands wie The Ex seit jeher und auch weiterhin ein wichtiger Aufschrei vom Rande der Gesellschaft.

 

Klaas Tigchelaar // veröffentlicht bei intro                                                                                                21.03.2018


Stone Temple Pilots

Stone Temple Pilots
Rhino / Warner / VÖ 16.03.2018

Trotz vieler Rückschläge wollen die Stone Temple Pilots auch nach 25 Jahren nicht die Segel streichen. Mit Neuzugang Jeff Gutt stricken sie mit kalkulierter und durchaus beeindruckender Präzision weiter an ihrer Legende.

 

Die Einzigen, die die Stone Temple Pilots kurzzeitig ausbremsen konnten, waren ihre Sänger: Anfang 2013 trennte sich die Band nach einer jahrelangen On/Off-Beziehung von Ikone Scott Weiland, der 2015 verstarb. Tragischerweise ist auch der durchaus adäquate Nachfolger Chester Bennington (Linkin Park) seit Juli 2017 nicht mehr unter den Lebenden. Aber die DeLeo-Brüder und Schlagzeuger Eric Kretz lassen sich davon nicht entmutigen.


Jeff Gutt, zuvor Sänger von Dry Cell und zweimaliger Teilnehmer der US-Casting-Show »The X Factor«, liefert nun die cheesy Gesangslinien zum eingespielt-prätentiösen Gitarrenrock der Band. Gesanglich eine clevere Wahl, weil oftmals kaum von Weiland zu unterscheiden. Ihm fehlt vielleicht das letzte Quäntchen Heroin-Sehnsucht und talentierter Kratzigkeit. Der Band-Sound ist ohnehin eine gemütlich-abgehangene Marke, mit jaulenden Gitarrenlicks, kalkulierten Hooks und viel Show-Erfahrung. Scheint vordergründig redundant, hat aber immer noch seinen speziellen Charme, der in seiner Konsequenz – egal, ob auf pekuniären oder idealistischen Gründen fußend – Respekt einflößt.

 

Klaas Tigchelaar // veröffentlicht bei intro                                                                                                14.03.2018


Hot Snakes

Jericho Sirens
Sub Pop / Cargo / VÖ 16.03.2018

Fans von Rocket From The Crypt, OFF!, Burning Brides, Pitchfork, Drive Like Jehu und Obits, aufgepasst!

 

Der Superstar-Underground-Mähdrescher-Ableger namens Hot Snakes ist wieder zurück. Die Band um Rick Froberg (Pitchfork, Drive Like Jehu) und John Reis (Rocket From The Crypt, Pitchfork, Sultans) hat sich für das vierte Album immerhin 14 Jahre Zeit gelassen, um nun wieder, einem Taifun gleich, durch die Schubladen der harten Gitarrenmusik zu pusten. Die Liste der eingangs erwähnten, großartigen Bands, in denen die Mitglieder der Hot Snakes sonst noch so spielen ist genauso beeindruckend wie die Art und Weise, mit der »Jericho Sirens« Post-Hardcore, Noise, Post-Punk und Rock zu einem kompakten Wirbelsturm auftürmt.

 

Eine beinahe nahtlose Fortsetzung der ersten Alben (die alle auf Reis‘ eigenem »Swami Records«-Label erschienen sind), die in einem intensiven Geschwindigkeitsrausch Kreativität mit Präzision und Intensität verbindet. »I Need A Doctor« dient als charmanter Opener der halbstündigen Achterbahnfahrt, die mit knackigen Songs wie »Why Don’t I Sink In?« auch ihre kompromisslose, noisige Kehrseite aufzeigt. Begeisterung allenthalben, und schon jetzt ein Anwärter auf einen Platz in der Jahres-Bestenliste. Bis die ausgefüllt wird, sollte man inständig darauf hoffen, dass die Band aus San Diego dieses Jahr ein paar Tourtermine auf dem europäischen Festland ankündigt. Weil Gitarrenkrach ja live immer noch ein bisschen mehr Eindruck hinterlässt.

 

Klaas Tigchelaar // veröffentlicht beim Stadtmagazin schnüss                                                                    01.03.2018