Stephen Malkmus & The Jicks
Sparkle Hard
Domino / Goodtogo / VÖ 25.05.2018
Wen das mit viel Humor und Klugheit durchtränkte Musikverständnis von Malkmus nicht schon bei den legendären Pavement verzückt hat, darf sich daran auf mittlerweile sieben Malkmus & The Jicks-Alben nochmal versuchen.
Immer wenn Stephen Malkmus mit seinen Jicks eine neue Platte aufnimmt, öffnet er die Büchse der Pandora des Indierocks. Ohne den mitunter überflüssigen Durchblick bleibt der stets zwischen grooviger Professionalität und überdrehtem Wahnsinn pendelnde Popsound auch auf „Sparkle Hard“ zu gleichen Teilen rätselhaft wie mitreißend.
Direkt verständlich sind dagegen die vielfach präsenten Pop-Momente, mit schwunghaften Gitarrensoli, souveränen Harmonien und (diesmal vielen) verzerrten Bässen. Der Fundus ist üppig, ein kleines Country-Folk-Juwel wie „Refute“ (mit Gastgesang von Kim Gordon von Sonic Youth), kuschelt sich an die karg und traurig intonierte Akustikgitarre von „Kite“, das heimliche Glanzlicht, welches sich über Prog-Rock-Passagen zu einem hymnischen Finale hochjagt.
Neben all diesem großen Songwritertum wirkt die Frage, wie viele der Dissonanzen, versemmelten Gesangsintonationen und Stolpereien vermeintlicher Unbekümmertheit geschuldet sind, schnell überflüssig. Genau diese stringente Anti-Haltung macht Malkmus zum heimlichen Popstar des Indierock-Jahrtausends. Einer der immer noch abliefert, wenn andere Indiepop-Helden längst in ihrer künstlerischen Peinlichkeit verblassen. Und wem das zu theoretisch und schnöselig ist, der darf „Sparkle Hard“ auch als ausgezeichnete Sommer-Pop-Platte in sein Herz schließen.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht im Stadtmagazin Klenkes 14.5.2018
Detroit Swindle
High Life
Heist / Al!ve / VÖ 25.05.2018
Obwohl das Duo aus Amsterdam kommt, ist die amerikanische Metropole im Namen eine Referenz. Immerhin wurden Techno und House in Detroit so richtig tief durch die
melancholische Werkstattgrube gezogen, was neben Ambient und Electro-Jazz ein relevanter Einfluss für Lars Dales und Maarten Smeets ist. »High Life« zeigt sie trotzdem eher von ihrer
optimistischen und sonnigen Seite, was nicht zuletzt an der Zusammenarbeit mit der neunköpfigen Brassband Jungle By Night aus Amsterdam und den Electronic-Durchstartern Seven Davis Jr. und Lorenz
Rhode liegen dürfte.
Richtig tiefgründig wird es anfangs nicht, die Tracks plätschern trotz Bläserimprovisationen und weiterer Features (etwa auch vom britischen Singer/Songwriter Tom
Misch auf »Yes No Maybe«) recht vorhersehbar dahin. Ausnahmen bilden später crispy Instrumentals wie »Freeqy Polly« und »Ex Machina«, die mit elektronischer Kargheit wohlwollend die Stimmung
runterreißen und dem Detroit-Lesezeichen zu etwas mehr Geltung verhelfen. Davon hätte das Album künstlerisch sicherlich noch mehr vertragen können. Andererseits ist das DJ-Duo ständig rund um den
Globus unterwegs, und Massenkompatibilität bezahlt bessere Hotelsuiten als düsteres Knöpfchengedrehe im Keller.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht im Musikmagazin intro 23.5.2018
Ash
Islands
Pias / Infectious / Rough Trade VÖ 18.05.2018
Da ist er wieder, der unbeschwert-glückliche Britpop-Sound der 1990er. Und da sind sie wieder, Ash, die eigentlich nur noch Singles machen wollten, aber schon 2015 mit »Kablammo!« zur Albumlänge zurückkehrten.
Damit haben sich die Nordiren um Sänger/Gitarrist Tim Wheeler genauso im Umwälzungs-Strudel der Popmusik-Industrie verheddert, wie dutzende andere Bands, die seit
über zwanzig Jahren Musik machen, und irgendwie die Ausfahrt verpasst haben. Nach dem Weggang von Gitarristin Charlotte Hatherley (2006) und der Ankündigung im Jahr darauf, statt Alben nur noch
Singles zu veröffentlichen, ist die Band als Trio nun schon seit 2015 wieder zum alten Trott zurückgekehrt. Und auf Augenhöhe mit dem Debüt- und Durchbruch-Album »1977« (von 1996) schlägt sich
diese siebte Platte gar nicht mal schlecht. Vielleicht haben sanfte Altersmilde und eine souveräne Egal-Haltung die Albumproduktion zu einer kompromisslosen Herzensangelegenheit wachsen lassen.
»Buzzkill« ist eine knackige erste Auskopplung mit wenigen verzerrten Akkorden, die nicht nur an die legendären Undertones erinnert, sondern zwei von Ihnen auch als Background-Sänger zu Gast hat.
»Don’t Need Your Love« bringt die Lagerfeuer-Akkorde für den nächsten Stadtpark-Sonntagshit mit. Fett und auf den Punkt produziert bieten Ash ein gelungenes Update ihres Trademark-Sounds, der
keine avantgardistische Revolte lostreten möchte, sondern sich lieber zuversichtlich in Pop-Glückseligkeit wälzt.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht im Musikmagazin intro 23.5.2018
James Bay
Electric Light
Republic / Universal / VÖ 18.05.2018
Es war der hittige Gospel-Song »Hold Back The River«, der James Bay vor knapp drei Jahren erhöhte Aufmerksamkeit bescherte, nicht nur in Großbritannien und den
USA, sondern auch im restlichen Europa. Der Critics-Choice-Brit-Award sowie zwei Grammy-Nominierungen und einige goldene Schallplatten waren der Dank, der die Plattenfirma sicherlich
glücklich machte. Aber was bedeuten solche Trophäen heute schon noch? Erst recht, wenn man sich vom eindimensionalen Image des talentierten, gut aussehenden Twentysomethings lösen möchte? Bay
trägt nun keinen Hut mehr und die Haare kurz, und sein neues Album soll ihn wegbefördern aus der glattproduzierten Charts-Soul-Welt.
Mit »Pink Lemonade« hat er dafür eine gute erste Single am Start, rumpeliges Schlagzeug und Zerrgitarren erinnern eher an Kings Of Leon, und auch »Wanderlust«
kann sich mit coolen Sounds und originellen Hooks vom Mainstream freispielen. Insgesamt wirkt das Bemühen groß, sich stilistisch kreativer zu zeigen. Originelle Sounds und komplexere
Songstrukturen sind begrüßenswert, in letzter Konsequenz aber doch nur ein sanfter Versuch, sich künstlerisch stärker selbst zu verwirklichen, ohne sich von den großen Bühnen zu
verabschieden. Dennoch: Wenn Bay konsequent dranbleibt, kann da sicherlich noch große Kunst entstehen.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht im Musikmagazin intro 15.5.2018
Paul Kalkbrenner
Parts Of Life
Columbia / Sony / VÖ 18.05.2018
Das Mainstream-Techno-Universum funktioniert recht einfach: Entweder man füllt Stadien und ist Sell-out, oder man macht düsteren, verkopften Kram und darf sich
stolz dem Untergrund zugehörig fühlen. Paul Kalkbrenner ist definitiv ganz oben und vorne mit dabei, und dieses Album manifestiert erneut seinen Status als das prima vermarktbare deutsche
Techno-Aushängeschild. Der Nachfolger seiner »Back To The Future«-Trilogie präsentiert einen Mix aus alten Resten und neuen Ideen. Einige Vocal-Samples und Sounds von alten Festplatten wurden
hierfür gerettet und überarbeitet.
Die Tracks tragen schlicht die Arbeitsnummern der Produktion und ballern voller Lebensfreude zwischen hymnischen Electro-Pop-Passagen, Café-Del-Mar-Trompeten
und härteren Instrumentals hin und her. »Part One« sticht als poppig-eingängige Nummer mit schwelgerischen Synthie-Flächen aus dem gezügelten Techno-Rundumschlag kurz wie erfreulich heraus.
Sonst ist das Album durchaus erträgliche elektronische Musik für Massen von fanatisch klatschenden und tanzenden Fans, die eher den DJ abfeiern, als sich mit experimentellen und komplexen
Tracks aufzuhalten, an denen aber oftmals mehr aufrichtiges Herzblut klebt.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht im Musikmagazin intro 16.5.2018
The Sea And Cake
Any Day
Thrill Jockey / Rrough Trade / VÖ 11.05.2018
Sechs Jahre sind seit dem letzten Sea-And-Cake-Album »Runner« vergangen. Und in dem Paralleluniversum von Chicago, in dem die Band sich für gewöhnlich aufhält,
hat sich kaum etwas verändert. Was bei anderen Acts öfter für Langeweile und Abkehr sorgt, bleibt hier auch nach zwei Jahrzehnten und elf Alben so faszinierend wie ein verdienter Rausch. Die
gehauchte Stimme von Sam Prekop, die glibberig ineinanderfließenden Gitarren-Arpeggios, das luftig-jazzige Zusammenspiel von Schlagzeug und Bass – all das ist erfüllend wie ein lieb
gewonnenes Pasta-Rezept, das einfach niemals fad schmeckt.
Unterstützung bekommt die Band auf »Any Day« durch Paul von Mertens (Brian Wilson) an Flöte und Klarinette sowie Nick Macri am Kontrabass. Sie setzen sanfte
Akzente im warmen Fluss des Albums, dessen Pop-Verwandtschaft sich eher in harmonischer Melancholie als aufbrausenden Hooklines zeigt. Viel mehr Worte muss man nicht darüber verlieren, TSAC
sind mit ihrem besonderen Flow weiterhin einzigartig und an passenden Tagen nahezu unschlagbar.
Klaas Tigchelaar // veröffentlicht im Musikmagazin intro 23.5.2018