Jacco Gardner

Somnium
Full Time Hobby / Rough Trade / VÖ 23.11.2018

Dass der niederländische Multi-Instrumentalist sich in den psychedelischen Tiefen der Popmusik der 1960er am wohlsten fühlt, haben bereits die beiden Vorgängeralben gezeigt. Mit einer losen Referenz an die gleichnamige Erzählung von Johannes Kepler aus dem Jahr 1608, die als erste Science-Fiction-Erzählung überhaupt gehandelt wird, verzichtet Gardner diesmal auf Gesang und taucht noch tiefer in die Welt der flirrenden Synthesizer und analogen Klangsynthese ein.

 

Zusammen mit einem souveränen Rhythmusteppich aus schluffigem Schlagzeug und ploppenden Bassläufen schafft er eine Hommage an Synthpop und Krautrock, die sich traumwandlerisch vor Vangelis, Cluster, Tangerine Dream und Mike Oldfield verbeugt. Die altmodische Anmutung der elektronischen Sounds, von sanft zirpenden Melodien bis hin zu schrillen Synth-Akzenten ist bewusst gewählt, verschafft dem Klangbild zugleich eine wohlig-gemütliche Grundstimmung.

 

Staubig wabern die Klangwellen ohne Unterbrechung von einem zum nächsten Song, eine langsam ausfasernde Heldenverehrung, die klanglich wie strukturell allerdings kaum hinter den Vorbildern zurückliegt.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Stadtmagazin Schnüss                                                                                      23.11.2018


Smashing Pumpkins

Shiny And Oh So Bright Vol. 1
Napalm Records / Universal / VÖ 16.11.2018

Mit „Shiny And Oh So Bright“ präsentieren SP ein neues Album in Fast-Originalbesetzung. Nachdem die Ursprungsbesetzung im Jahr 2000 ausein-anderbrach, gab es viele Wiedergeburten - Sänger und Gitarrist Billy Corgan, der gleichzeitig viele Solo- und Nebenprojekte verwirklichte, blieb dabei das einzige dauer-hafte Mitglied. Nun aber  gibt es die Smashing Pumpkins auf „Shiny And Oh So Bright“ erstmals (fast) wieder in Originalbesetzung zu hören. Das ist schön, klingt gut, ist aber doch keine Rückkehr zu de Glanztaten der 90er-Jahre.

 

Klar, irgendwie muss man die Werbetrommel rühren. Das ging in dem Fall so: „Shiny And Oh So Bright“ ist das erste Album mit Mastermind Billy Corgan, Gitarrist James Iha und Schlagzeuger Jimmy Chamberlin seit 18 Jahren, und dann wurde es auch noch produziert von Rick Rubin. Für das komplette Original-Line-up fehlt natürlich Bassistin D'arcy Wretzky. Nach der kurzen, aber heftigen medialen Schlammschlacht („Er lügt!“, „Wir waren nie Freunde!“) zwischen Corgan und Wretzky Anfang 2018 ist davon auszugehen, dass die beiden so schnell nicht wieder zusammenfinden werden. Dafür ist Gitarrist Jeff Schroeder, seit zwölf Jahren fest an Corgans Seite, weiterhin Teil der Pumpkins.

 

Es ist ohnehin nicht immer ganz einfach, das aktuelle Line-up der Pumpkins zu benennen, denn das Personalkarussell dreht sich ständig weiter. Drummer Chamberlin fehlte insgesamt zwar nur auf zwei Alben der Band (dem unterschätzten „Oceania“ von 2012 und „Monuments To An Elegy“ von 2014), die Rolle der Bassistin hingegen wurde ein halbes Dutzend Mal neu besetzt, unter anderem mit Melissa auf der Maur und Nicole Fiorentino. Momentan gehört Jack Bates als Bassist zur Live-Band. Daneben gab es noch das kurzzeitige Corgan/Chamberlin-Seitenprojekt Zwan und sogar zwei Soloalben von Billy, eines unter dem Geburtsnamen William Patrick Corgan („Ogilala“, 2017). Am Ende bestehen deswegen auch die Smashing Pumpkins zuvorderst und vor allem aus Billy Corgan, dem Songwriter, Sänger, Gitarristen und klugen Kommentator des Zeitgeschehens, der immer noch gegen seinen eigenen übergroßen Alternative-Rock-Schatten kämpft.

 

Wer sich nun gar nicht auf die Querelen rund um die Band-Zusammensetzung, sondern ausschließlich auf die Musik konzentriert, wird mit „Shiny And Oh So Bright“ sicherlich schnell Freundschaft schließen. Acht kraftvolle Songs sind es. Sie versuchen nicht, die Euphorie aus den führen Indie-Rock-Tagen in den 90-ern zu reaktivieren, sie driften aber auch nicht in die künstlerische Kleinteiligkeit ab, in der sich zum Beispiel das Vorgängeralbum „Moments To An Elegy“ verhedderte.

 

Knackige Popsongs wie „Silvery Sometimes (Ghosts)“ oder der unterkühlt-bombastische Titel „Solara“ sind neue, prägnante Kompositionen für die Alternative-Disco-Ewigkeit. Die Wall-of-Guitars („Marchin' On“) findet ihren Platz auf diesem Album aber auch, ebenso wie jene melancholische Tragik („Alienation“), die schon immer ein fester Bestandteil des Corgan-Universums war. Obwohl der charismatische Frontmann kürzlich gegenüber dem Magazin „NME“ erklärte, dass eine „Oldie“-Tour mit alten Hits für ihn so etwas wie Selbstmord in Zeitlupe sei, ist ihm offenbar doch bewusst, dass einige Elemente dieser „Oldies“ zu seinem Künstler-Dasein gehören. Dieses Hin und Her zwischen dem Gewicht alter Großtaten und dem Streben nach neuen Ausdrucksformen findet auf dem zehnten Album der Smashing Pumpkins ein absolut stimmiges Ergebnis.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht auf nordbuzz                                                                                                                15.11.2018


Kid Simius

Planet Of The Simius
Jiafra / Rough Trade / VÖ 02.11.2018

Nachdem das erste Album »Wet Sounds« (2014) des Exil-Spaniers durch die Verknüpfung von heimatlicher Folklore, Berliner Techno-Bumms und ratternden Surfgitarren schon Verweigerung andeutete, darf der Stilmix auf diesem Album auch nicht weiter überraschen.

 

Auf den Umzug nach Berlin 2009 folgten die Zusammenarbeit mit Marteria, einige EPs und diverse Touren mit dem Marsimoto Soundsystem. Daneben lief er als DJ in der Hauptstadt heiß, arbeitete mit Paul Kalkbrenner, Roland Knauf (Deichkind) und Tropf (Beginner) zusammen und konnte sich ein äußerst breitgefächertes Inspirationspaket zulegen, welches er auf diesem Album ohne Vorurteile zusammengefasst hat. 18 Tracks, die sich frisch und unvoreingenommen durch diverse Stile hangeln. Sizilianische Arbeiterlieder, knackiger House, psychedelischer Rap, Boogie-Pop und eine große Schaufel Disco-Glitter prägen die unvorhersehbare Achterbahnfahrt. Zusätzlich gibt es die obligatorischen Gaststars wie Enda Gallery, Kilnamana, Kelvin Colt oder Chava, sowie Remixes von u.a. Ada und Paul Kalkbrenner. Eigentlich ist solch ein feierfreudiges Durcheinander überaus konsequent. In Zeiten von digitalen Playlisten und dem aussterbenden Albumformat fügt Simius aka. José Antonio García Soler beide Konsum-Ansätze einfach zusammen und kann damit auf jeder Party in Albumlänge durchlaufen, ohne Langeweile zu erzeugen.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Stadtmagazin Schnüss                                                                                      02.11.2018