Josefin Öhrn and The Liberation
Sacred Dreams
Rocket Recordings / Cargo / VÖ 26.04.2019
Die aus Stockholm stammende Josefin Öhrn hat es sich mit ihrem musikalischen Partner Fredrik Joelson mittlerweile in London gemütlich gemacht. Unterstützt von der Begleitband The Liberation haben sie im Press Play-Studio von Andy Ramsay (Stereolab) neue Krautrock- und Retro-Pop-Glücksmomente festgehalten.
Was beim Opener „Feel The Sun“ noch durch eine Mischung aus knatterndem Bass, flirrenden Gitarren und laszivem Gesang der Frontfrau betört, reift spätestens bei der chilligen Velvet-Underground-Hommage „Hey Little Boy“ zur festen Überzeugung, dass auch diese Genre-Schnittmenge noch neue Überraschungen in petto hat. Elemente aus Psychedelic und straightem Schlaghosen-Rock verwandeln sich in einem frisch-gebügelten Gewand in einer hochmusikalischen Symbiose zu Britpop und Shoegaze.
Öhrns Stimme rundet dieses wild-wabernde Album mit vorgespielter Unschuld ab, die ein bisschen an die gesungene Abgeklärtheit der hervorragenden Nouvelle-Vague-Sampler-Reihe erinnert. Letztlich zählt aber vor allem, dass die Melodien, Stimmungen und Harmonien noch lange im Gedächtnis nachhallen, was die Popmomente inmitten des dichten Sounds dieser Platte ohne Probleme schaffen.
Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Stadtmagazin Klenkes 15.04.2019
Ratso
Stubborn Heart
Lucky Number / Rough Trade / VÖ 05.04.2019
Larry »Ratso« Sloman ist spät dran. Mit knapp 70 veröffentlicht er nun sein allererstes Album, für das er immerhin Nick Cave, Imani Coppola, Paul Shapiro und Yasmine Hamdan ins Studio holen konnte. Ratso kann sich das erlauben, seit 40 Jahren als Journalist (»Rolling Stone«) und Biograf tätig, u.a. verantwortlich für die Verkaufsschlager »Private Parts« und »Miss America« von Howard Stern.
Auch die Autobiografien von Anthony Kiedis (Red Hot Chili Peppers) und Boxer Mike Tyson hat Ratso zusammengesetzt, da erscheint ein staubiges Soloalbum wie eine naheliegende Ablenkung. John Cale hat ihm dabei geholfen, seine teilweise Jahrzehnte alten Songs in Form zu bringen, die erwartete Schnittmenge trifft den Sound dann auch ganz gut.
Sloman greint poetische Zeilen zu verruchter Bluesbar-Musik, Saxophonsoli (»Carribean Sunset«), mumpfige 1980er-Synthiflächen und ein Cover von Bob Dylans »Sad Eyed Lady Of The Lowlands« wirken wie eine zerzauste Verneigung vor den Kombattanten und Karriere-Begleitern (eben auch Bob Dylan, Joan Baez, Lou Reed oder Leonard Cohen). Das Album schleppt sich gemütlich durch überaus hübsch-ausstaffierte Morgenstund-Momente, Slide-Gitarren, Shuffle-Schlagzeug-Begleitung und viele akkurate Details fusionieren auf erfrischende Art mit Ratsos ratlos-windschiefen Gesangszeilen.
Der ironische Fußtritt gegen das Pathos und die künstlerische Selbstachtung macht »Stubborn Heart« zum überraschenden Joker im vergilbten Quartett der oben genannten, selbstverliebten Düster-Songwriter.
Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Stadtmagazin Klenkes 15.04.2019
Priests
The Seduction Of Kansas
Sister Polygon Records / Cargo / VÖ 05.04.2019
Der Albumtitel ist mehr als eine flotte Punchline, nimmt er doch Bezug auf das Sachbuch »What’s The Matter With Kansas? How Conservatives Won the Heart of America« von Thomas Frank aus dem Jahr 2004. Darin geht er der Frage nach, warum seine Heimatstadt in der Vergangenheit oft die politischen Wandlungen der gesamten USA vorweggenommen hat.
Ist Kansas also schuld an Trump, und wusste die Band um Sängerin Katie Alice Greer davon? So einfach ist es mal wieder nicht, aber dieser komplexe Einstieg zeigt zumindest, auf welchem Level sich die Band aus Washington D.C. mit Politik beschäftigt. Musikalisch ist das alles deutlich greifbarer, ein entspannter Post-Wave-Sound umschwirrt Songs wie »Youtube Sartre« oder »Texas Instruments« mit freundlicher Hysterie. Massive Chorus-Effekte auf der E-Gitarre sind wieder erlaubt, viel Hall, etwas krachiges Shoegaze-Chaos und britisch-gefärbte Melancholie umschwirren Greers klare Stimme.
Und glücklicherweise gehen sie zwei Schritte weiter, als bloß eine schnöde Joy Division- oder Cure-Kopie hinzulegen. Mit aufpeitschenden Hooklines, sparsam-effizienten Melodien und einem gut-dosierten Backflash in die 1980er kriegen die Priests auch diejenigen, die damals kein »Zillo«-Abo hatten.
Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Stadtmagazin Klenkes 15.04.2019