MUSIK

Max Goldt

Draußen die herrliche Sonne (Musik 1980-2000)
Tapete/Indigo/VÖ: 13.12.2019

Der Lieblingsautor aller humorversierten Intellektuellen hat auch musikalisch in den letzten Jahrzehnten eine ganze Menge Material angehäuft. Seine neue Platte heißt „Draußen die herrliche Sonne“ (Musik 1980-2000). Diese Sechs-CD-Werkschau trägt diesen Namen, obwohl nicht alle enthaltenen Songs aus diesem Zeitraum sind, aber es auf dem Cover „einfach knuspriger“ aussieht, meint Goldt.

 

Enthalten sind Titel von Foyer des Arts (Avantgarde-Pop von Goldt, Gerd Pasemann und Axel Knabben), Nuuk (Goldt gemeinsam mit Stephan Winkler) und Stücke vom Künstler höchstselbst ohne jegliche Assistenz.

 

Dass die klamaukigen Texte hier natürlich weit vor dem musikalisch-gefälligen Begleitwerk stehen, dürfte selbsterklärend sein. Weswegen wir als Köder lieber ein paar Titel in die Runde werfen, die zum Lachen anregen sollten. Wer schon immer mal wissen wollte, wie die Musikbegleitung zu „Umbalme mich“, „Ein Haus aus den Knochen von Willy Brandt (Live)“ oder „Welpen spielen (und stoßen dabei ein Glas Sekt um)“ klingt, der wünsche sich diese Werkschau.

 

Fans freuen sich derweil über ein Wiederhören mit Hits wie „Schimmeliges Brot“ oder „Schleichwege zum Christentum (Live)“. Sechs ganze CDs davon, ununterbrochen an einem Stück konsumiert, könnten allerdings den Weg in den Wahnsinn erheblich verkürzen – aber das sind vielleicht diese Risiken und Nebenwirkungen, von denen die Ratiopharm-Zwillinge immer sprechen.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Stadtmagazin Klenkes                                                                  9.12.2019


MUSIK

Sløtface

Sorry For The Late Reply
Propeller Recordings/Rough Trade/VÖ: 31.01.2020

Die Pop-Punkband aus Norwegen hat mit ihrem Debütalbum »Try Not To Freak Out« (2017) bewiesen, dass man aus dem gemäßigt-rebellischen Rüpelsound der 1990er Jahre noch etwas rausholen kann.

 

Doch hier passt erstmal scheinbar nichts so richtig zusammen, die sanfte und hochmusikalische Stimme von Sängerin Haley Shea, die poliert-poppigen und die dreckig-ranzigen Stil-Elemente, die aus der klassischen Bass-Gitarre-Schlagzeug-Gesangs-Kombination eben schon eine Millionen Indierock-Songs herausgequetscht haben. Bloß nicht in einer einzigen Band.

 

Deswegen kriegt das Quartett aus Stavanger einen dann doch recht schnell, weil die eine liebliche Hookline hängenbleibt, weil der bratende Bass mit dem geknüppelten Schlagzeug die Füße zappeln lässt und alles wie ein gut zusammengestelltes Mixtape anmutet.

 

Da passen die hymnischen Refraingesänge von »Stuff« zwar zum Uptempo-Indierock von »Luminous«, lassen aber andererseits einen präzise rausgehauenen Poppunk-Zweiminüter wie »Crying In Amsterdam« irgendwie etwas einsam zurück. Gerade das macht aber den Spaß von Sløtface aus, weil sich die Band nicht wirklich auf eine Spielart oder vorgegebene Genregrenzen festlegen lässt.

 

Im Zweifelsfall siegt am Ende immer die Harmonie über die Zerstörungswut und dass lässt dann auch die Tatsache verblassen, dass spontane Ungenauigkeiten und kleine Fehler absolut keinen Platz in ihrem recht perfektionistischen Anspruch haben.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Stadtmagazin Schnüss                                                              10.12.2019


MUSIK

Beck

Hyperspace
Capitol/Universal/VÖ: 22.11.2019

Obwohl Beck Hansen auf den Promofotos zur neuen Platte wie ein ewig junger Dorian Gray mit blondem Wuschelhaarschnitt posiert – es ist sein mittlerweile 14. Album.

 

Und auch sein Durchbruch mit dem Slacker-Folk-Evergreen »Loser« ist schon 26 Jahre her. Seitdem hat der 1970 in Los Angeles geborene Musiker uns mit vielen Stilmixen und großartigen Songs zwischen Folk, Sample-Mashups und Lofi-Pop beglückt.

 

Für »Hyperspace« wurde Pharrell Williams als Koproduzenten ins Boot geholt, was vordergründig eher dezenten Einfluss auf den Sound hatte. Hymnische Synthesizer-Flächen im Hintergrund, altmodische Drumcomputer-Beats und ein paar Vocal-Effekte tragen zwar sanfte Williams-Spuren, zeigen aber auch, dass sich die beiden Künstler vielleicht näher sind, als man auf den ersten Blick denkt.

 

Akustikgitarren treffen auf 1980er-Synthesizersounds, ein Track wie »Chemicals« könnte auch als Titelmelodie für eine Vorabendserie aus der Zeit herhalten. Ob es nun Becks Wunsch oder Williams‘ Einfluss gewesen ist, der den Becksound auf »Hyperspace« in eine etwas süßlichere, fließendere und zugleich auch düstere Konsistenz überführt hat, bleibt wohl ein Geheimnis.

 

Aber Herr Hansen hat es erneut geschafft, seine Stimme und seinen Wiederekennungswert in ein frisches Gewand zu stülpen, dass ausgesprochen wohlwollend und heimelig erklingt. Nach den kurzweiligen 36 Minuten, die das Album hergibt, steht fest: dass hier ist eine uneingeschränkte Hörempfehlung.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Stadtmagazin Schnüss                                                              10.12.2019