MUSIK

Banks

III
Capitol/Universal/VÖ: 12.07.2019

Jillian Rose Banks setzt ihre Forschungsreise durch eine vielschichtige Welt voller poetischer Texte und komplexer R'n'B-Klänge fort. Das dritte Album, schlicht „III“ getauft, präsentiert ihre eigenständige Definition von Popmusik in nahezu perfekter Form.

 

Dieser Satz aus dem Infomaterial zu Banks' neuem Album bleibt wohlig wie anregend im Gedächtnis hängen: „Sie ist die Art von Künstlerin, der eine Social-Media-Abhängigkeit fremd ist, die aber ihre Telefonnummer bei Facebook hinterlegt hat, falls die Fans mal quatschen müssen.“ Das klingt zunächst naiv und provokativ und wirkt weit weg von der Mainstream-Spur - so es denn tatsächlich wahr wäre. Aber genau diese Widersprüche machen die US-amerikanische Ausnahmekünstlerin und ihre Musik letztlich aus.

 

„III“ ist nach den ebenfalls anspruchsvollen Vorgängern aus den Jahren 2014 und 2016 wieder ein Album geworden, das sich nicht gegen den Massengeschmack auflehnt, aber auch nicht versucht, das poetische Talent oder die Indiepop-Vergangenheit der Kalifornierin zu leugnen. Ein liebevoll produziertes, tanzbares und fesselndes Zeitdokument der aktuellen Pop-Kultur, dem Stempel wie „'R'n'B“, „EDM“, „Autotune“, „80er-Revival“ und „Exaltiertheit“ längst nicht mehr gerecht werden.

 

Die Brüche zwischen verschleppten Tanzgrooves, dunklen R'n'B-Verweisen, A-capella-Passagen, Rave-Synthies, verspielten Klangschnipseln und immer wieder eingerissenen Erwartungshaltungen waren schon auf dem Vorgänger „The Altar“ (2016) überdeutlich erkennbar, wirken nun aber noch ein ganzes Stück souveräner als damals. Es reicht eben nicht mehr, toll singen zu können oder eine oberfette Produktion mit zahllosen Details aufzufahren, um die Masse und die Kritiker gleichermaßen zu verzücken. Es ist eher die für Banks typische Mischung aus scheinbarem Desinteresse und cleverer Inszenierung, mit der die Sängerin, Songwriterin und Produzentin auf „III“ einmal mehr begeistert.

 

Die gechillt groovende 80er-Synth-Ballade „Propaganda“ ist mitnichten bloß ein gelungenes All-Saints-Plagiat mit mehr Tiefgang, und „Sawzall“ ist weit mehr als bloß eine talentiert gehauchte R'n'B-Hymne mit waberndem Wurlitzer-Piano. Banks verbindet große Gefühle mit großen Sounds, stellt diese dann aber gleich wieder klanglich infrage; sie huldigt dem Mainstream und dem Dancefloor, macht aber auch klar, dass der Horizont dort noch lange nicht zu Ende ist.

 

Wenn sich eine Künstlerin traut, so oft und schnell Themen, Stimmungen und Klänge zu wechseln, wie es die wirbelnden Medien heute um uns herum vormachen, und wenn sie dabei nicht den roten Faden verliert, dann hat sie das Musikgeschäft und die Gesellschaft drumherum ziemlich gut analysiert. So ein Psychologie-Studium, wie Banks es nebenbei absolviert hat, kann manchmal vielleicht auch in der Musik sehr hilfreich sein.

 

 Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Weser Kurier                                                                                                              12.07.2019


MUSIK

Hot Chip

A Bath Full Of Ecstasy
Domino/Goodtogo/ VÖ 21.06.2019

Auf ihrem siebten Studioalbum klingt die Londoner Band französisch, was nicht zuletzt auch von den Produzenten Philippe Zdar und Rodaidh McDonald stammen könnte. An der tiefergehenden Catchyness der Songs hat sich jedoch nichts geändert.

 

Nochmal kurz zur Erinnerung, die Londoner Band um Alexis Taylor und Joe Goddard definierte sich in der Vergangenheit durchaus Linientreu über die britische Tradition von zuckrigem Synthie-Pop, der mit Indie-Attitüde und einer Gitarre-Bass-Schlagzeug-Synthesizer-Livebesetzung seinen eigenen Sound fand. Wir nehmen mal „Need You Now“ von 2015 oder „Ready For The Floor“ von 2008 als unterstützende Beispiele. Für dieses siebte Studioalbum dichtet ihnen die Plattenfirma nun einen französischen Sound an, hervorgerufen durch die Produzenten Philippe Zdar (Phoenix, Cassius) und Rodaidh McDonald (The XX, David Byrne), die einen neuen „kollaborativeren Songwriting-Prozess“ geöffnet haben. Viel Wind für ein paar einfach aufzuspürende Veränderungen: Der Sound ist fetter geworden, die Synthesizer kriegen mehr (und breitere) Gestaltungsfläche und dürfen als separate Instrumente mit eigener Klangfarbe (u.a. ein polyphoner Korg PS-3200 und ein Oberheim OB-Xa) bestehen. Was den Gesamtklang wärmer, farbenfroher und schlussendlich tatsächlich ein bisschen weniger britisch macht. Die tiefergehende Catchyness der Songs ist jedoch geblieben, nicht offensichtlich mit eingängigen Harmonien umherschmeißend, sondern mit einem logischen roten Faden am Ball bleibend. Dem steht die klangliche Veränderung durchaus gut, egal ob dafür nun aufputschende Pillen oder der Brexit angebetet werden musste.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Klenkes                                                                            08.07.2019


MUSIK

Black Pumas

Black Pumas
PIAS/ATO/Rough Trade/ VÖ 21.06.2019

Am Anfang braucht es eine griffige Lobhudelei: »Wu-Tang Clan meets James Brown«, warf der Radiosender KCRW aus Santa Monica angesichts des Sounds der Band von Straßenmusiker Eric Burton und Produzent Adrian Quesada (Grupo Fantasma, Brownout) in den Ring. Das macht doch neugierig.

 

Die Menge an wirbelndem Retro-Soul, die schon im ersten Song „Black Moon Rising“ mit stoischem Basspumpen und samtig-schönen Vocals aus den Boxen oder EarPods tropft, lässt die Vorschusslorbeeren, die es nach ihrem Auftritt beim SXSW-Festival 2018 regnete, durchaus gerechtfertigt erscheinen. Klar scheint die US-typische, und wohl bewusst platzierte Anekdote vom Gitarristen/Produzenten Quesada, der auf der Suche nach einem Sänger mit einem Faible für sowohl Neil Young, als auch Sam Cooke per Zufall an Burton gerät, ein bisschen arg hollywoodesk. Gerade, weil dieses durchaus traditionelle Soul-Album solches Beiwerk gar nicht nötig hat. Hier stimmen die Produktion, die technische Versiertheit von Sänger und Band und der unbeschreibliche Vibe, mit dem die Soulmusik ihre glaubhafte Leidensfähigkeit erlangt. Nur der Wu-Tang-Vergleich bleibt bei aller Euphorie am Ende ein wenig fragwürdig. Einzig die staubige Authentizität der legendären HipHop-Kombo scheint übertragbar, denn Sprechgesang taucht hier zum Glück gar nicht auf.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Klenkes                                                                            01.07.2019


MUSIK

Dapayk & Vars

Streets & Bridges
Ritter Butzke Studio/ VÖ 05.07.2019

Die CD stirbt aus. Wissen wir natürlich längst, aber diese Kollaboration erscheint als Download, Stream und auf Vinyl – wer hätte vor dreißig Jahren gedacht, dass die Schallplatte mal die Compact Disc überleben würde?

 

Und wer hätte gedacht, dass Niklas Worgt aka. Dapayk sich mal interessiert an der Genregrenze des Vocal-House reiben würde? Dass sein musikalischer Partner und die Gesangsstimme, Produzent und DJ Timo Mitsch (Vars) ursprünglich aus dem Rock-Bereich kommt, macht die Sache in Dapayks Discografie schon wieder nachvollziehbarer. Denn obwohl die Gesangslinien hier öfter prominenter platziert werden und auch opulent-ausklingende Klavierakkorde zum Rüstzeug gehören, mischt Worgt doch immer wieder harte Techno- und Electromomente in den sonst recht zugänglichen Sound. Es bleibt letztlich Geschmackssache, ob dieser Twist ins restliche Dapayk-Klanguniversum passt, Tracks wie »Bridges« fallen da als instrumentale, dunkle Zwischentöne eher in die bekannte, technoide Deephouse-Ecke, während »Follow The Light (Album Version)«, oder das in kurzen Momenten fast schon wavige »Concepts« auch den Sprung in die sommerliche Großraumdisco schaffen könnten. Was »Streets & Bridges« definitiv nicht zu einer überflüssigen Veröffentlichung macht, sondern vielmehr zeigt, das kreative Geister eben nicht am immergleichen Ort verharren können und möchten.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                                                        20.06.2019


MUSIK

Ada Lea

What We Say In Private
Saddle Creek/Rough Trade/ VÖ 26.07.2019

 

In Montreal hat das renommierte Indie-Label Saddle Creek die Künstlerin Ada Lea aufgetan. Sängerin, Musikerin, Malerin und Visual Artist, die mit diesem Debütalbum ihre 180 Tage andauernde Katharsis einer beendeten Beziehung künstlerisch aufarbeitet.

 

Sachen, die man nur in einer verborgenen (oder privaten, wie der Titel es predigt) Umgebung offenbart, sind textlich definitiv Bestandteil des Albums. Die karge Akustikgitarre und entfernt an Nina Simone angelehnte, brüchige Stimme auf »Yanking The Pearls Off Around My Neck« oder das deutlich opulenter instrumentierte und mit tüchtigem Seegang verzierte »What Makes Me Sad« geben sich genauso kunstbeflissen wie unschlüssig darüber, ob das alles schon ausreicht, um als Musikerin gebührend wahrgenommen zu werden. Davon ist zumindest beim tanzbar-dichten Rockgitarren-Opener »Mercury« noch nichts zu merken. Und diese unentschlossene Experimentierfreude zwischen jaulend-kaputtem Songwritertum, perlendem Schlafzimmerpop und durchproduzierter, aber rotziger Lofi-Attitüde ist gleichzeitig Höhepunkt und Achillesferse dieses Debüts. Denn obwohl Abwechslung eigentlich immer guttut, wirkt hier doch vieles noch schnell übers Knie gebrochen, ohne dass etwaige künstlerische Genialität den spontanen Einfall immer erfolgreich abrunden kann. Da sind die unendlichen Möglichkeiten der digitalen Aufnahmetechnik eher ein Klotz am Bein, erzwungene Reduktion wirkt dann wie ein Befreiungsschlag, den man Ada Lea für das zweite Album von Herzen wünscht.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                                                           20.06.2019