MUSIK

The Rhythm Method

How Would You Know I Was Lonely?
Moshi Moshi/Rough Trade/ VÖ 21.06.2019

Wie passen eigentlich Elton John, Eurodance und Mike Skinner (The Streets) unter einen Hut? Dafür brauchte es Songwriter Joey Bradbury und den Multiinstrumentalisten Rowan Martin, die als The Rhythm Method die britische Popmusik mit ranzigem Slackertum und körnig-glasierter Pop-Bordüre überziehen möchten.

 

Elton John ist Fan des Duos, während Skinner nicht nur die Single »Cruel« für die Band produziert hat, sondern mit seinem stolpernd-egalem Sprechgesang offensichtlich auch Einfluss auf die Vocals von Bradbury hatte. Und da lag auch bei ihren ersten Singles vor diesem Debütalbum schon der Schwerpunkt des Duos, dass aus gefälligen Beats, poppigen Hooklines und einer großen klanglichen Zitatsammlung der letzten 30 Jahre die Untermalung für schräge, schlaue und mitunter etwas kalauernde Rap-Texte fabriziert. Zeilen wie »I thought she said she liked me, but it didn’t make much sense – her English was the Queen’s but her kiss was perfect French« aus der 2016er Single »Party Politics« suchen hier ihre zuweilen etwas bemühten textlichen Nachfolger, die in Songs wie »Local Girl« dann nur noch so klingen: »I even took you to my local, girl – Strongbow, Stella, Posh and Becks, Selfies, pictures, S-E-X«. Ohne zwingende Druckbetankung im Pub wirkt das dann alles ein bisschen blass und anspruchslos – dafür wurde wohl der Begriff »Partymusik« erfunden.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                                                           26.05.2019


MUSIK

Anika Auweiler

Vodka und Lachs
anikamusik.de / VÖ 21.06.2019

Live begeistert die ehemalige Bonnerin (und nun Berlinerin) als Singer-Songwriterin mit einem Gewusel aus Gitarren, Keyboards, Mikrofonen und einer Loopstation, durch die ihre deutschsprachigen Songs Mal um Mal zu kleinen Orchestern heranwachsen.

 

Nouvelle-Chanson-Electro-Pop, der auf ihrem mittlerweile vierten Album zum ersten Mal richtig über sich selbst hinauswächst. Mit dafür verantwortlich ist sicherlich die Produktion von Ekki Maas (Erdmöbel), aber auch die Gastauftritte von Sarah Brasack (Keys, Gesang) und Jan Palkoska (Drums), mit denen Anika gelegentlich noch als die alte gemeinsame Band Miao Mio auftritt. Die schon immer klugen und poetischen Texte haben nun das passende musikalische Outfit gefunden, zwischen Singer-Songwritertum, verspieltem Lofi-Pop-Bandsound und einer wohligen Grundstimmung, die auch Auweilers präsente Stimme gefällig abrundet. Die Songauswahl setzt sich aus ganz neuem und älterem Material zusammen, teilweise aus dem Repertoire von Miao Mio (»Kreise (Radio Edit«) stammend, teilweise schlicht mit einem souveräneren Arrangement (»Das Licht (Weißen für dich)« in neuem Glanz erstrahlend. Deutschpop wechselt mit intimen Akustikballaden, welche gerne auch mal kitschig sein dürfen. Die gelungene Songauswahl macht deutlich, was Anika in der Vergangenheit war und in Zukunft sein möchte, konkreter formuliert ist das nun definitiv eher Judith Holofernes als Annett Louisan. »Vodka und Lachs« ist als CD und Download erhältlich, via Amazon oder unter anika-musik.de.

 

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                                                           26.05.2019


MUSIK

JJ Whitefield

Brother All Alone
Kryptox-Musik/K7/Cargo/ VÖ 07.06.2019

Wenn man sich die exzentrisch-aufgeschäumte Biografie von Jan Weissenfeldt auf der Zunge zergehen lässt, will man gar nicht recht glauben, dass der Endvierziger aus München (mit langem Zwischenstopp in den USA) ein eher zurückhaltender deutscher Gitarrenheld ist.

 

Heldenstatus besitzt er z.B. für Madlib, DJ Shadow, Dan Auerbach, oder auch Gabriel Roth, Gründer und Chef des legendären Daptone-Labels (Sharon Jones and The Dap-Kings, Amy Winehouse), weil er ihn mit seinem Bruder und Weltklasse-Schlagzeuger Max davon überzeugte, dass der Soul nicht tot war. In den 1990ern gab es noch deren Band Poets of Rhythm, die sich auf die Spuren des 60’s und 70’s Funk machte, wilde, kreative Adaptionen davon ablieferte und in Amerika ziemlich schnell für großen Wirbel sorgte. Danach ist noch viel passiert, nun ist er jedenfalls wieder zurück, mit so etwas wie einem Solo-Debüt, dass spontan den Putz von den Wänden kloppt. Krautjazz, Deepfunk, Neojazz, von kundigen deutschen Neo-Jazzmusikern durch scheppernde Jamsessions gezogen und in Berlin, München und Nairobi aufgenommen. Der Sound ist ungebügelt, getränkt in Funk-Begeisterung, Jazz-Improvisationen und afrikanischen Rhythmus-Patterns, vereint Bariton-Bläser und Phaser-Gitarren, knallt raus wie die besten Daptone-Veröffentlichungen und hat gleichzeitig einen musikalischen Tiefgang, der einen erfrischt und verwirrt zurücklässt.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                                                           26.05.2019


MUSIK

Soundwalk Collective with Patti Smith

The Peyote Dance
Bella Union/PIAS/ VÖ 31.05.2019

Die Altersteilzeit kreativ nutzen. Ja, die Protopunk-Legende Patti Smith muss hier natürlich als Aufhänger neben dem New Yorker Ambient-Electronica-Projekt herhalten, mit dem sie schon 2016 das Nico-Tribute-Album »Killer Road« veröffentlicht hat.

 

Für dieses Jahr stehen gleich drei gemeinsame neue Alben für Smith und das Soundwalk Collective (bestehend aus Stephan Crasneanscki und Simone Merli) an, die zusammen das Projekt »The Perfect Vision« ergeben. Jeder Teil konzentriert sich auf das literarische Werk eines Dichters. Den Beginn macht »The Peyote Dance«, inspiriert von den Gedichten des französischen Schauspielers und Dichters Antonin Artaud (1896-1948) und seinen Reisen durch Mexiko. Das ist natürlich schwere Kost, Frau Smith liefert kratzige Spoken-Word-Performances mit reichlich Kraftausdrücken zu vertrippten Geräuschen, Klängen und Rhythmen, die dem berauschenden Peyote-Kaktus die Ehre erweisen. Erst mit »Ivry« scheint kurz vor Schluss der Trip ein wenig abzuklingen, zu versöhnlich gezupften, aber todtraurigen Gitarren lässt Patti Smith ihre altersweise Gesangstimme erklingen, sodass Mark Lanegan, der ewige Totengräber der Düstervokalisten, spontan Apfelbäckchen-Wangen bekommen müsste. Wo der Rest des Albums sich als klangliche Katharsis präsentiert, steht dieser Song als kleine Perle für sich alleine, und darf es durchaus in die Playlisten aller Patti Smith-Fans schaffen.
Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                                                           26.05.2019