MUSIK

Waxahatchee

Saint Cloud
Merge/Cargo/VÖ: 27.03.

Ein Album über Süchte, geprägt von dem Entschluss, sich von Alkohol und Drogen zu verabschieden, welches sich konsequenterweise auch mit bleibenden Erinnerungen und guten wie schlechten Ereignissen aus der Vergangenheit von Katie Crutchfield, aka. Waxahatchee beschäftigt.

 

Wirkt erstmal wie ein etwas verkrampfter Ansatz, die tatsächliche und nicht-artifizielle Definition von Kunst aus sich herauszupuhlen. Ist aber dann doch eine schaurig-schöne Entblößung geworden, die einen nicht nur mit dem stets einlullenden Stimmtimbre von Crutchfield umschwärmt, sondern auch sonst ziemlich konsequent ehrlich klingt.

 

Bobby Colombo und Bill Lennox (Bonny Doon) sowie Josh Kaufman (Bon Iver) und Nick Kinsey (Kevin Morby) funigieren als Backingband für diesen Seelenstriptease, dessen Songs natürlich mit Titeln wie »Hell«, »Witches« oder »War« plakatieren gehen müssen. Und die erste Single »Fire« fast das Album direkt wunderbar zusammen, statt verzerrter Gitarren und großkalibriger Schläge haben Crutchfield und Produzent Brad Cook (Bon Iver) sich der Kraft der Stimme und des zurückhaltenden Verzichts gewidmet, der mit gestreicheltem Schlagzeug, gezupften Gitarren und fragilen Melodien noch an Intensität gewinnt.

 

Fabelhafter, leicht eiernder Indie-Pop mit getrockneten Tränen und ganz viel Herzblut, dem man seine eigenen Gelüste, Schwächen und Wünsche gerne offenbaren möchte.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                             27.03.2020


MUSIK

Fritz Kalkbrenner

True Colours
BMG/Warner/VÖ: 13.03.

Entspannte Dance-Sounds und Tech-House für Cafébar und Tanzfläche gleichermaßen – daran hat sich für den Berliner auch auf dem mittlerweile sechsten Album „True Colours“ nichts geändert.

Im Gegensatz zum Instrumental-Album „Drown“ (2018) packt der jüngere Bruder von Paul Kalkbrenner hier wieder Gesänge in seine Tracks, das erste Mal seit seinem Top-Ten-Album „Grand Depárt“ von 2016. Eine sanfte Abwechslung für die fließenden Songstrukturen, die zwar stets einem distinktiven Beat folgen, aber auch gut als schmeichelnde Hintergrundberieselung funktionieren. „Aus einer Vielzahl von Layouts, Songideen und manchmal auch kurzen Loops erschaffe ich mir eine Art Kreativ-Fundus, in den ich eintauche“, erläutert Kalkbrenner seine Arbeitsweise für das neue Album im Begleittext zur Platte.

 

Hilfe bekam er von Co-Produzent Conrad Hensel (Ryuichi Sakamoto, Die Fantastischen Vier), Ben Böhmer, Felix Lehmann (Jan Blomqvist) und Henne Müller (Gheist), die den tiefschürfenden, düsteren House-Momenten von Tracks wie „Uptown“ den letzten Schliff verliehen. Gleichzeitig als Songwriter, Sänger, Musiker und Produzent tätig zu sein, birgt laut Kalkbrenner immer die Gefahr, das Songmaterial zu „verschlimmbessern“, deswegen ist die Sicht von außen für ihn immer wichtig, auch wenn er sich unsicher ist, ob man letztlich die „magischen hundert Prozent“ der Komplettierung je erreichen kann, so der Musiker.

 

Von all den Gedankenspielen, Problemen und Hürden, die eine Albumproduktion im Hintergrund mit sich bringt, kriegt der Konsument, egal ob auf der Tanzfläche oder dem heimischen Sofa, natürlich letztlich nichts mit. Hier zählt nur das Endprodukt, und das ist mit „True Colours“ ein wirklich gelungenes, dahinfließendes, und an manchen Stellen etwas komplexer-abtauchendes Gesamtwerk geworden. Top-Ten-Potential in mitreißenden Songs wie „Good Things“ oder „Kings & Queens“ verbündet sich ganz logisch mit melancholischeren Instrumentaltracks wie „About Face“ oder „Just The One“. Da kann sich eigentlich jeder DJ den passenden Track für sein Set abgreifen.

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht bei Nordbuzz                                                                                        14.03.2020


MUSIK

Dana Gavanski

Yesterday Is Gone
Full Time Hobby/Rough Trade/VÖ: 27.03.

„Dana Gavanski wurde im kanadischen Vancouver als Kind serbischer Eltern in einen Künstlerhaushalt geboren“ – so ein typischer Presseinfo-Satz für ein unbeschriebenes Blatt und ihr Debütalbum, dass sich dann eben auf andere Art und Weise in die Herzen der Zuhörer spielen muss.

 

Wobei die Stichwörter Serbien und Kanada gar nicht so abwegig sind, um den Sound der zurückhaltenden, etwas verschrobenen Singer/Songwriterin zu charakterisieren: eigenständig, mit ein bisschen Post-Ostblock-Mentalität und gefälligen Melodien in stets leicht widerspenstigen Songkonstrukten.

 

Ihre Stimme haucht sich zurückhaltend durch überaus entspannte Popsongs, irgendwo zwischen den Cardigans, Cranberries und einem slackerhaften Indie-Sound, der einerseits recht konservativ, aber dann doch ziemlich cool haften bleibt. Die Liste der Einflüsse trägt solch konterkarierende Namen wie David Bowie, Joni Mitchell, Julia Holter, Fairport Convention oder Aldous Harding mit sich, aber Gavanski ist eher die verhuschte, zweifelnde, und darum nicht minder faszinierende Interpretation dieser großen Namen.

 

Für manche Genüsse muss man sich eben ein bisschen Zeit und Aufmerksamkeit zurechtrücken. „Yesterday Is Gone“ dankt es postwendend mit einer schwer beschreiblichen Leichtigkeit, die einen schlichtweg rundum zufrieden zurücklässt. 

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht bei klenkes.de                                                                                     01.03.2020


MUSIK

Bodycount

Carnivore
Century Media/Sony/VÖ: 06.03.

Normalerweise müsste man Body Count ja als total aus der Zeit gefallenes Relikt abtun. Aber wer sich noch an die 1990er Jahre und das selbstbetitelte Debütalbum der Band um Gangsterrap-Legende Ice-T von 1992 erinnern kann, weiß, dass sie quasi den Grundstein für die Vereinigung von Rap, Metal und Hardcore gelegt haben.

 

Und so wie Heavy-Metal in all seinen Spielarten schon länger ein Comeback feiert, kann man Body Count guten Gewissens als Old School-Pioniere ihres eigenen Genres klassifizieren, die ihrem Status mit erstaunlicher Frische durchaus noch gerecht werden. »Carnivore« ist das siebte Studioalbum, besiegelt das 30-jährige Bandjubiläum und ist wie erwartet ein schweres Brett aus tiefgestimmten Gitarren, ballerndem Schlagzeug, wilden Gitarrensoli und politischen, gesellschaftskritischen Raps von Ice-T.

 

So wie Slayer, Pantera oder Suicidal Tendencies sich längst ihren Legendenstatus erspielt haben, darf man Body Count in ihrer Musikschublade durchaus den gleichen Status anheften. Eine gelungene und originalgetreue Coverversion von Motörheads »Ace Of Spades« ist da genauso legitim wie die knüppelnde Gitarrenvariante von Ice-Ts Klassiker »Colours«, genau wie die Gastvocals von Amy Lee (Evanescence) auf »When I’m Gone«.

 

Mit Dave Lombardo (Ex-Slayer), Jamey Jasta (Hatebreed) und Riley Gale (Power Trip) komplettiert sich die Gästeliste, die beweist, dass musikalische Schubladen letztlich keine Barrieren darstellen. Und mit ihrer eigenen Oldschool-Attitüde prügelnd Body Count die Wut und Unzufriedenheit so überzeugend in die Welt hinaus, dass so manche Metalcore-Band heimlich die Notenblätter zum Mitschreiben zückt.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                             01.03.2020


MUSIK

Stephen Malkmus

Traditional Techniques
Domino/GoodToGo/VÖ: 06.03.

Viel weiter kann sich Stephen Malkmus wohl kaum noch von seinen Roots beim Indie-Slacker-Evergreen Pavement entfernen.

 

 Das glaubt man zunächst, wenn der Opener „ACC Kirtan“ mit hippieskem Bouzouki-Intro den Auftakt zum dritten Malkmus-Album ohne die Jicks, und natürlich ohne Pavement intoniert. Aber schon „Xian Man“ holt den Malkmus-Fan wieder zuhause ab, wie es im Werbesprech-Jargon heißen würde, der ewig-verzückende, windschief-heruntergejaulte Gesang schmiegt sich nun noch etwas näher an Bob Dylan und Lou Reed an, der Sound wandert zeitgleich in die etwas bekiffte Abteilung des 60s-Folk.

 

Slide-Gitarren, Akustik-Gitarren und eine generell sehr gemütlich-warme Gesamtatmosphäre umhüllen das traditionelle Arsenal an Ausdrucksmöglichkeiten. Passt aber erstaunlich gut zusammen, zumal mit Chris Funk (The Decemberists) als Produzent und Engineer sowie Matt Sweeney (Iggy Pop, Zwan, Chavez) als ewigem heimlichen Gitarrenhelden auch noch hochklassiges Personal beteiligt war. Während andere Möchtegern-Folker die Sitar und Percussion auf „Shadowbanned“ womöglich mit ausschweifenden Erfahrungen unter bewusstseinserweiternden Drogen auf ihrem tollen Indien-Roundtrip verknüpfen, liefert Malkmus die klanglichen Klischees schlicht mit einer Portion Ironie, die einen schnell hinterfragen lässt, warum man sowas eigentlich nochmal nicht mehr machen durfte?

 

Zusammen mit den stilistisch sehr unterschiedlichen Vorgänger-Alben „Sparkle Hard“ (2018) und „Groove Denied“ (2019) schließt sich eine gelungene Trilogie des Malkmusschen Musikverständnisses.

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht bei klenkes.de                                                                                     01.03.2020