MUSIK

Thurston Moore

By The Fire

Daydream Library Series/Cargo/VÖ: 25.09.

Einerseits wirkt es ganz schön abgedroschen, mit einem Song namens »Hashish« (und zugehörigem Kiffervideo) das mittlerweile siebte Soloalbum zu eröffnen, »eine Ode an die narkotisierende Wirkung der Liebe in Zeiten der geteilten Verantwortung während der Isolation«, so der Künstler.

 

Andererseits ist er eben auch Thurston Moore, Noise-Fetischist, ehemaliger Sonic Youth-Frontmann und Gitarren-Antiheld, der längst keine Erwartungen mehr zu erfüllen hat. »Hashish« ist, bestückt mit kleinen Disharmonien und Geräuschen gleichwohl ein eingängiges Stück treibender Popmusik geworden, zu dem die aktuelle Besetzung (Debbie Googe von My Bloody Valentine, Jon »Wobbly« Leidecker von Negativland sowie James Sedwards, Hem Doulton, und Steve Shelley von Sonic Youth) sicherlich ihren kreativen Teil beigesteuert hat.

 

Ein Album, dessen Aufnahmen mitten in die Corona-Quarantäne hineinrutschten und deswegen auch textlich davon beeinflusst wurden. Musikalisch ist »By The Fire« eine gute Mischung aus kürzeren, ruppig-poppigen Nachdenklichkeiten (»Cantaloupe«, mit schön-konservativem Gitarrensolo!) und ausufernden, mitunter in Geräuschen versinkenden Song-Improvisationen wie »Locomotives«, die locker die zehn-Minuten-Marke knacken. Kann man also ohne Umwege als gutes Album in der Moore-Diskographie durchwinken, dass die Ansprüche des Künstlers und der Fans gleichermaßen befriedigt.


Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Aachener Stadtmagazin Klenkes                                          04.09.2020


MUSIK

Schlammpeitziger

Ein Weltleck in der Echokammer
Bureau B/Indigo/VÖ: 25.09.

 

Jo Zimmermann hat seinen Casio-Keyboards wieder neue Sounds entlockt, diesen ehemals als Spielzeug belächelten Tasteninstrumenten mit flächigen 1980er-Jahre-Sounds und arg künstlichen Streichinstrumenten, deren Gebrauchtmarktpreise mittlerweile aufgrund wachsender Beliebtheit tatsächlich deutlich gestiegen sind. Aber natürlich sind sie nicht die einzige Klangquelle, aus denen der Kölner seine wahlweise Lofi-Krautronica oder Art-Electro-Dub getauften Kompositionen schöpft.

 

Die Tracks glänzen – genau wie die Albumtitel – stets mit einer gewissen Albernheit, auf »Ein Weltleck…« halten nun erstmals sinnfreie Wortbeiträge Einzug, kurze Reime von Zimmermann, die um knackige Dub-Rhythmen kreisen und vielleicht auch unterstreichen sollen, dass diese fancy Tanzmusik eher für vertrippte Ohrensesselabende gedacht ist, auch wenn man dazu theoretisch formidabel tanzen könnte. Im sitzen kann man sich auch gleich besser über die kreativen Songtitel amüsieren, »Wurfhalm Wiggo«, »Hüftgoldpolka« oder»Rappelvolle Leere« lassen einen bedächtig mit dem Kopf wackeln und schmunzeln. Elektronische Klangtherapie für rauchgeschwängerte Altbauwohnungen mit humoristischen Anwandlungen und einigen gerahmten Zeichnungen von Zimmermann selbst, die z.B. »Es ist wie es ist. BRD.« heißen.

 

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                             04.09.2020


MUSIK

Róisín Murphy

Róisín Machine
Skint Records/Warner/VÖ: 25.09.

Wild, tanzbar und musikalisch auf der Grenze zwischen Eingängigkeit und kreativem Wagemut – da macht das neue Album der Irin erfreulicherweise keine Ausnahme.

 

Auch wenn die erste Single »Something More« (für Murphy geschrieben von Amy Douglas) eher eine mantrahafte Dub-Grundstimmung verbreitet, bietet »Róisín Machine« die erhoffte Abwechslung zwischen galant-mächtiger Gesangsstimme und entfesselnden Stil-Mischungen aus New-Disco (»Narcissus«), Beach-Club-Funk (»Incapable«) und mit Handclap-Samples aufgehübschtem Roboter-Soul (»Murphy’s Law«), der spannenderweise immer ein wenig hinter dem Takt zu hängen scheint.

 

Gerade mit solchen kleinen Feinheiten liefert Murphy Tiefgang und musikalische Diskurs-Anstöße, dezente Sounds, unbeobachtete Schlenker und plötzliche Harmoniewechseln, die abseits der Tanzfläche Nachforschungen ermöglichen. Schon ihr Durchbruch mit Moloko vor beinahe 25 Jahren war geprägt von der äußerst cleveren Mischung aus tanzbarer Oberflächlichkeit und musikalischem Genietum, das sich hier nahtlos fortsetzt.

 

Ob es nun die bombastische Funkbass-Linie auf »Jealousy« oder die düsteren Shuffle-Drumsamples auf »Simulation« sind, die als kleine Zacken im Fleisch steckenbleiben, Murphys Tracks verharren stets eher als Denkanstoß, denn als Ohrwurm im Kopf. Nur mit den Handclap-Samples in beinahe jedem Song ist die Künstlerin diesmal vielleicht ein wenig über das Ziel der ironischen Provokation hinausgeschossen.

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                             09.09.2020