MUSIK

Matt Seeney & Bonnie 'Prince' Billy

Superwolves

Domino/Goodtogo/VÖ: 30.04. Stream|CD|Vinyl

Sechzehn Jahre nach dem gemeinsamen Debütalbum »Superwolf« haben es diese sanften Musiklegenden wieder geschafft, eine Sammlung von Songs zu veröffentlichen. Vorerst nur digital, ab dem 18 Juni 2021 aber auch auf physischen Tonträgern.

»Make Worry For Me« tauchte vorab als erste Single und Eröffnungstrack des Albums mit zugehörigem Video im World Wide Web auf, beklemmend-fantastische Flüstermusik, die so gut zum Schnauze-voll-Corona-Gefühl des Jetzt passt. Beide arbeiteten wieder zunächst getrennt voneinander, Bonnie-Lyrics entfachten bei Sweeney die passenden Gitarrenmelodien und Akkorde. Musikalische Versatzstücke flogen fünf Jahre lang durch die Datenleitungen, bis diese 14 Songs letztes Jahr fertiggestellt wurden.

Will Oldham hat ein paar Weise Sätze zur Vermarktung beitragen: »The chemistry comes from lives, lived separately, in which music is crucial sustenance.« Was bei Anderen aufgesetzt und bedeutungsschwanger klingt, tropft bei diesen musikalisch-heulenden Wölfen aus jedem schönen Klagelied. Cleane, vorsichtige E-Gitarren, Billies zerbrechliche Stimme, kratzige Chöre und präzise Country-Schablonen lassen sich von nordamerikanischen, südamerikanischen und afrikanischen Melodien aufpeitschen, zu einem Folk-Album, dass sich dem Gefühl, und nicht dem vorgeschriebenen Instrumentarium unterordnet. Jeder Bonnie Billy-Fan, der auch Sweeneys Oeuvre (Chavez, Zwan, Iggy Pop, Neil Diamond, Adele uvm.) verinnerlicht hat, wird dieses Album verschlingen.


Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                       10.04.2021


MUSIK

Os Barbapapas

DooWooDooWoo

Fun In The Church/Bertus/Zebralution VÖ: 30.04. Stream|Vinyl

In São Paulo gibt es anscheinend eine pulsierende Psychedelic-Szene. Auch wenn die irre Politik des Präsidenten Jair Bolsonaro naheliegenderweise den Konsum von bewusstseinserweiternden Drogen antreibt, kann man es doch nicht so recht mit dem selbstoptimierten Körperkult von Brasiliens Küsten in Einklang bringen.

War Pedro Goncalves Crescenti von International Music und The Düsseldorf Düsterboys aber schlicht egal, als er die vier BrasilianerInnen bei Recherchen zu seiner Radiosendung entdeckte, ausflippte und sie kurzerhand zu einem Labeldeal nach Deutschland drängte. Was da unter dem Titel »Psychedelic« erklingt, bringt einen deutlichen frischen Wind mit, südamerikanische Rhythmen und Klänge ergießen sich in entspannter Zeitlupe über die angestrengte westliche Improvisations-Kifferei.

Was dem Genre einen schönen Drall gibt, der in Zeiten der (ausnahmsweise mal positiv konnotierten) Globalisierung längst überfällig schien. »Tropicália meets Exotica. Space meets Desert. Surf meets Western« – diese Selbstauskunft trifft den instrumentalen Sound aus klappernden Drumgrooves, elektronischen Sounds, Percussionelementen, Gitarren-Arpeggios und zirpenden Glasharfen-Klängen recht gut.

Ein Knaller für jede Chillout- oder Easy-Listening-Berieselung in der Gastronomie (auch die Jüngeren werden sich evtl. noch erinnern), die prokrastinierende Stand-By-Abhänger aus ihrer Komfortzone schwofen lässt.

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                       10.04.2021


MUSIK

Dinosaur Jr.

Sweap It Into Space

Jagjaguwar/Cargo: 23.04. Stream|CD|Vinyl|mp3

Wer will es J. Mascis, Lou Barlow und Drummer Murph schon übelnehmen, dass ihnen schreiende Gitarrenwände, Bassgewummer, jaulende Gitarrensoli und kleine Melodie-Genialitäten immer noch nicht langweilig geworden sind?

Nach dem 2016 erschienenen »Give A Glimpse Of What Yer Not« nehmen sie die Indie-Slacker-Stricknadeln unbekümmert wieder auf und klopfen ihren Trademark-Sound auf eine weitere Platte. Was wir durchaus zu schätzen wissen. Gäste gab es, auch wegen Corona, beinahe keine, Kurt Vile durfte hier und da ein Sahnehäubchen mit ein paar Gitarren (u.a. mit einer 12-String auf »I Ran Away«) draufsetzen, bevor die Quarantäne ihn aus dem Rennen nahm.

»I Met The Stones« fährt heftigen Riffrock auf, der natürlich nicht im Ansatz nach Mick und Keith klingt, Dinosaur-Balladen wie »Garden« setzen auf leise, melancholische Strophe und Düsenjäger-Refrains, eigentlich muss man die Innovationen hier aus verschwindend kleinen Details herausfriemeln. Aber wer will das denn schon wirklich? Genau die richtige Menge an musikalischer Varietät (wie z.B. das digitale Mellotron auf »Take It Back«), damit es nicht langweilig wird, ansonsten freudig auf Kurs bleiben.

Exakt der räudige Partysound für die Pre-Rentner-Party, die jeder Mainstream-Gitarrenrock-Anhimmelung so souverän überlegen ist, dass man dem Gitarrengott der Herzen Mascis dafür verträumt durch die grauhaarige Mähne fahren möchte.

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                       04.04.2021


MUSIK

Flock Of Dimes

Head Of Roses

Sub Pop/Cargo VÖ: 02.04. Stream|CD|Vinyl|MC

Wie traurig es ist, wenn jemand einem das Herz bricht, man aber gleichzeitig jemand anderem ebenso das Herz bricht. Dies ist zumindest der Grundgedanke für die Inhalte des zweiten Solo-Albums von Jenn Wasner unter dem Banner »Flock Of Dimes«. Kann man mal drüber nachdenken.

 

Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass Verlassen und verlassen werden gleichermaßen weh tut, wenn auch mit unterschiedlichen Härtegraden. Die melancholischen, traurig-schönen Kompositionen, die die Multi-Instrumentalistin, Sängerin, Produzentin, Songwriterin und notorische Kollaborateurin (zuletzt u.a. mit den ebenfalls fantastischen Sylvan Esso) unter diese Gedanken gelegt hat, sind wie immer geprägt von ihrer wiedererkennbaren, stets sauber von dunkel bis himmelhoch intonierenden Stimme.

 

Zarte Beats, komplexe Chöre, Synthesizer-Teppiche, Folkgitarren und verfremdete E-Gitarren sowie mehr oder weniger elektronisch-generierte Basslinien spinnen sich um die Stimmen, dichtgedrängt, kuschelig, nachdenklich und in ihrer träumerischen Sensibilität eigentlich so gar nichts für den herannahenden Sommer. Aber mit einer guten Flasche Wein, in einer schweigsam-warmen Nacht auf dem Balkon, kann man den Herzschmerz förmlich spüren, die öfter mal absichtlich leiernden Rhythmusspuren lieben lernen und feststellen, dass auch traurige Gedanken ein gewisses Glücksgefühl erwecken können.

Klaas Tigchelaar // Veröffentlicht im Bonner Stadtmagazin Schnüss                                     04.04.2021