Calexico

El Mirador
(City Slang/Rough Trade) VÖ: 08.04.

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City Slang-Chef Christof Ellinghaus nennt die Band von John Convertino und Joey Burns schlicht die »City Slang-Säulenheiligen«. Nach 24 Jahren Zusammenarbeit, in der die beiden Americana-Wüstengötter von der amerikanisch-mexikanischen Grenze auch schon mal die Kinder des Labelchefs vom Kindergarten abgeholt haben, kann man das wohl anstandslos behaupten. Und ja, auch beim mittlerweile zehnten Album »El Mirador« stellt man sich auf gemütlich-staubige Gitarren, rostig-swingende Rhythmen, und ein bisschen was von diesem südamerikanischen Tranquilo-Style ein.

 

Klar, der ist für Calexico kaum abzuschütteln, aber beim Titelgeber und Opener glaubt man zunächst einen Hidden Track aus Ry Cooders 2003er-Album »Mambo Sinuendo« (gemeinsam mit Manuell Glabán eingespielt) erwischt zu haben. Relativiert sich dann ein wenig, trotzdem finden sich dieses Mal auch zwei Cumbia-Stücke auf dem Album, die dem rythmisch-quirligen Stil aus afrikanischen und spanischen Tanzeinlagen huldigen.

 

Vielleicht liegt es an den Umzügen von Convertino (jetzt in El Paso) und Burns (seit 2020 in Boise im Bundesstaat Idaho), die neue Eindrücke erweckten, denn »El Mirador« fühlt sich sehr frisch, motiviert und kreativ an, ohne den klassischen Calexico-Pfad voller Shaker, Mexicana-Trompeten und knarzenden Gitarrentönen je zu verlassen. Für Fans ein uneingeschränkter Pflichtkauf und für brüllend-heiße Sommerabende eh Pflichtberieselung.

 

 

 Klaas Tigchelaar für Klenkes


Midlake

For The Sake Of Bethel Woods
(PIAS/Bella Union/Rough Trade) VÖ: 18.03.

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Auch schon wieder 18 Jahre her, dass die Band aus Denton, Texas mit »Bamnan and Slivercork« ihr Debütalbum veröffentlichte. Spätestens mit dem großartig-rückwärts gewandten Album »The Trials of Van Occupanther« (2006) musste man die ehemaligen Jazz-Studenten aber auf dem Schirm haben, ihr Mix aus Psychedelic-Folk, Indierock und vertripptem Soundscaping war absolut überzeugend. 2012 stieg Leadsänger und Songwriter Tim Smith aus, mitten in den Aufnahmen zu einem Album. Gitarrist Eric Pulido übernimmt den Hauptgesang, Jesse Chandler und Joey McClellan steigen an Tasten, Flöte und Gitarre als neue Bandmitglieder ein.

 

Kleine Puzzleteile, die den kreativen Vulkan der Band und den stetig hadernden Smith aber vielleicht zur rechten Zeit trennten. Nach dem Befreiungsschlag »Antiphon« (2013) nun »For The Sake Of Bethel Woods«, das beinahe fehlerfrei an der progressiv-rockenden Klangschraube dreht. Nach dem Vorgänger wurden die Klangexperimente wieder nach vorne geschoben, blubbernde Echos, träumerische Harmonien und psychedelische Flöten finden ihre Heimat in präzise rockender Grundausstattung. Fuzz-Gitarrenlinien, faserige Synthteppiche aus den 1970ern und nicht zuletzt die ein oder andere Genesis-Referenz (Peter Gabriel-Ära) lassen erahnen, dass Midlake sich herzlich wenig um Berührungspunkte scheren, dafür aber offensichtlich großen Spaß haben.

 

Bekiffter Folkrock mit durchaus hohem Pop-Gehalt, gekonnter Melodieführung und der richtigen Dosis an spannenden Sounds, das kann man so abnicken.

 

Klaas Tigchelaar für Schnüss


Jack Pott

Bomben über Disneyland
(Dackelton/Broken Silence) VÖ: 18.03.

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»Besuchen Sie Europa (solange es noch steht)« – ein Hit der Band Geier Sturzflug aus den 1980ern, den die jungen Wochendpunks von Jack Pott aus der »Marmeladenstadt« Bad Schwartau letztes Jahr in ein neues Cover-Korsett gepackt haben. In diesen kriegerischen Zeiten vielleicht noch tagesaktueller als eigentlich befürchtet, aber da muss man dann halt durch. »Adoleszenzgeschichten» hieß die letzte EP, darauf die Single »Antischwurbler«, »eine Antwort auf alle schlecht gelaunten Covidtioten, Reichsbürger, Hater und sonstige Aluhut-Träger. Mimimi!«, so die Band einmütig. Sie sind am Puls der Zeit, sie sind fleißig, umtriebig und elektrifizierend-motiviert – ehm, das ist also Punk (oder »Neuer Deutscher Punk« wie Jack Pott sich selbst schubladifizieren) in den Zwanzigern des neuen Jahrtausends. Mit einer präzisen, fetten Produktion, alles auf den Punkt und jede Menge aus der Hüfte geschossener Videos in den digitalen Kanälen, zu Albumsongs wie »Antiparty«, »WTS« (steht für Wir Tanzen Scheiße) oder »Alle Meine Freunde (feat. Drei Meter Feldweg + Grundhass)«. Als NDW-Bezug darf auch hier und da ein räudiges Keyboard nicht fehlen, und wahrscheinlich ist das im richtigen Kontext auch groß, zeitkonform und findet seine Fans. Für die höheren Semester klingt das andererseits dann doch zu poliert, monoton und irgendwie mehr Ballermann als Einkaufswagen-Downhill. Aber hey, wer hört heute noch auf die alten Leute, die erfolgreich fast alles kaputtgemacht haben?

 

 Klaas Tigchelaar für Schnüss