Muna
Muna
(Saddest Factory/Cargo) VÖ: 24.06.
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Eine bemerkenswerte neue Band, die da beim 2020 gegründeten Plattenlabel »Saddest Factory« von Phoebe Bridgers untergekommen ist. »Die Bandmitglieder (Katie Gavin, Naomi McPherson und Joesette Maskin) gehören Quer- und Minderheitengemeinschaften an und spielen ihre Songs vor allem für diese«, vermeldet das Bandinfo. Im Gegensatz zu vielen queeren Riot-Grrrl-Bands greift dies jedoch nicht zwangsläufig einen punkigen DIY-Ansatz auf, sondern pflügt mit fettem Sound zwischen EDM- (»Silk Chiffon (featuring Phoebe Bridgers«)) und aufrichtigem Akustik-Sound (»Kind Of Girl«) durch die gleichgeschaltete Pop-Kultur.
Wer die sektiererische Geschwister-Konstellation von Haim schon immer ein wenig despektierlich fand, findet bei Muna ein adäquates und irgendwie weniger vorproduziertes Update. Neben der Hitsingle »Silk Chiffon« sind auch Songs wie »What I Want« oder »Home By Now« basslastig-fette Dancefloor-Stürmer, die weder vor Wave-Zweifelhaftigkeit, noch vor knalligen Querverweisen zu Robyn oder Shania Twain einknicken.
Dieses dritte Album ist der Befreiungsschlag, wütend, aufwühlend und musikalisch einnehmend wie eine freidrehende Discokugel an der Decke des lokalen Indie-Tanzschuppens.
Klaas Tigchelaar für Schnüss
Σtella
Up And Away
(Sub Pop/Cargo) VÖ: 17.06.
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Σtella kommt aus der griechischen Hauptstadt Athen, macht bereits seit 2010 Musik und hat mit Sub Pop jetzt nicht das uninteressanteste Label gefunden, um ein von Tom Calvert (aka. Redinho) produziertes Debütalbum herauszubringen. Der schmissige Musikmix, den uns Σtella (aufmerksamkeitshaschend mit einem Sigma-Symbol) auftischt, ist ebenfalls nicht alltäglich. Griechische Bouzouki-Rhythmik trifft auf Easy-Listening-Sound und eine Variante von moderner Weltmusik, die zuletzt z.B. die (einzigartige wie fantastische) anatolische Rockband aus Amsterdam namens Altin Gün sehr einnehmend und groovend in die Jetztzeit projiziert hat.
Auf »Up And Away« kommt »Manéros« instrumental und slick wie eine extrem hippe Dönerbuden-Beschallung daher, während ein Song wie »Another Nation« die griechische Schalenhalslaute namens Bouzouki in Jimmy Page-ähnlicher Solo-Ekstase quietschen lässt. Irgendwo zwischen Easy-Listening, Post-Folk und Weltmusik schafft die talentierte Singer-Songwriterin Stella den souveränen Spagat, der Multi-Kulti und Integration musikalisch in die Gegenwart transferiert. T
Traditionelle Versatzstücke mischen sich mit Party-Groove, klugem Pop-Verständnis und einer einnehmenden
Harmoniesucht, die klischeefreie Völkerverständigung auf dem Dancefloor Wirklichkeit werden lässt. Neugierig wie Sade 2022 aus dem Soundsystem eines folierten 3er-BMWs klingen könnte? Absurde
Frage, aber diese Platte hätte u.a. mit »The Truth Is« eine sehr mitreißende Antwort darauf.
Klaas Tigchelaar für Schnüss
Kreator
Hate Über Alles
(Nuclear Blast/Rough Trade) VÖ: 10.06.
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Endlich mal wieder eine gute und klauenswerte Pressetext-Zeile: » ›Hate Über Alles‹ ist zu gleichen Teilen heiliges High-Energy-Geballer direkt aus dem Herzen der Bestie, wie präzise auf den Punkt getextete Zeitgeistdiagnostik.« Die deutsche Thrash-Metal-Legende rundum Mille Petrozza wettert nicht nur seit jeher gegen religiösen Fanatismus, Homophobie oder die Macht totalitärer Ideologien (alles traurigerweise gerade noch immer sehr aktuell), sondern shoutet nun auch gegen den Hass: »Hate is the virus of this world«, heißt es im Titelsong »Hate Über Alles« – nebenbei ein kleiner Fußnoten-Gruß an die unangepassten Rentner von Dead Kennedys.
Klar, wer einfach nur gepflegt die frisch mit Conditioner polierte Haarpracht im Rhythmus schütteln möchte, kommt womöglich auch bloß mit dem Staccato-Schlagzeug, den wirbelwindartigen Gitarrensoli und Petrozzas gutturalem Gesang in zufrieden-aufgebrachte Stimmung.
Schön ist aber trotzdem, dass Kreator als »Teil des Dreigestirns des deutschen Thrash Metal« (Behauptung von Wikipedia) nicht nur zuverlässig sumpfig-flinken Pommesgabel-Sound serviert, sondern auch gesellschaftskritisch am Diskurs teilnimmt.
Klaas Tigchelaar für Klenkes