Ibibio Sound Machine
Electricity
(Merge/Cargo) VÖ: 25.03.
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Vor ziemlich genau drei Jahren haben wir das letzte Album »Doko Mien« der Londoner Afrobeat-Gruppe um Sängerin Eno Williams abgefeiert, es auf vielen Sommerparties ungefragt aufgelegt und dafür wildeste Tanzeinlagen geerntet. Der Begriff »Afrofuturismus« fällt im Zusammenhang mit dem neuen Album mehr als einmal (zum Kontextverständnis bitte googlen), und nicht nur durch unser Fanboy-Gehabe, sondern vor allem durch die Tatsache, dass Hot Chip das aktuelle Album produziert haben, wird klar, dass dem vermeintlich verlorenen Kontinent spätestens jetzt eine glitzernde Popzirkus-Wildcard zusteht.
Hot Chip und Ibibio Sound Machine teilen nicht nur eine Vorliebe für Francis Bebey und Giorgio Moroder, sondern auch das Feingefühl dafür, kulturelle Einflüsse und ekstatisch-anstachelnde Sounds zu verschmelzen und gleichzeitig mit den richtigen soziokulturellen Duftmarken zu versehen, die den verzückten Zuhörer nach Mehr gelüsten lassen. »Electricity« dreht da, im Vergleich zum Vorgänger, noch einmal mehr an der Stellschraube namens »Dancefloor-Ekstase«, Songs wie »Oyoyo« bringen im Gegenzug afrikanische Klangeinflüsse in den stetig zappelnden Beat, ohne dass hier irgendwas gefühlsschwanger Weltmusik genannt werden möchte.
ISM vereinen die Kontinente geschickt zu einem aufregenden, pulsierenden Bewegungsmarathon, eine cool groovende Partynacht, die westlichen 1980er Synthpop, klassischen Soul und afrikanische Musiktradition zu schlankem, modernem Tanzsound verfugt. Wie schon der Vorgänger ist dies eine große und auch sozialpolitisch wichtige Platte, die vieles erklären kann, ohne sich dafür bedeutungsschwangerer Worte bedienen zu müssen.
Klaas Tigchelaar für Schnüss
Zombie Zombie
Vae Vobis
(Born Bad/Cargo) VÖ: 25.03.
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Der gute-Laune-Dreampop des Debüts »Happy To Be Here« hat eine nachdenkliche Schwester bekommen, die musikalisch aber auch tüchtig was auf dem Kasten hat. Mit übersprudelnder Kreativität rutschen knarzige A-Gitarren, schrammelnde E-Gitarren, Mandolinen, Klarinetten, Flöten, Trompeten, Schlagzeuggrooves und elektronische Drumbeats durcheinander, kuscheln sich zusammen und bilden eine herrlich bittersüße Popglasur, die sich beim 1990s Indiepop genauso anschmiegt, wie die Multi-Instrumentalistin mit modernem Electropop gemeinsame Sache macht.
Verschachtelte Ohrwürmer der anspruchsvolleren Art füllen das zweite Album, welches Lindsay komplett selbst produziert und eingespielt hat, abgesehen von ein paar Schlagzeug-Einsätzen, die ihr Bruder Ben Lumsdaine übernahm, und Backup-Gesängen von Partnerin Gabby Smith.
Eine dichte, spannende Songsammlung voller Melodien, die von Trauer und Hoffnung künden, und damit natürlich perfekt in die seltsamen Zeiten passen, die wir gerade (und mit zunehmender Erschöpfung) durchleben.
Klaas Tigchelaar für Schnüss
Barrie
Barbara
(Winspear/Cargo) VÖ: 25.03.
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Achterbahngefühle – immer ein kreativer Schmerzindikator für ernsthafte Künstler. Während Barrie Lindsay sich 2019 gerade in ihre jetzige Ehefrau Gabby Smith (Gabby’s World) verliebte, verschlechterte sich der Zustand ihres an Lungenkrebs erkrankten Vaters. Anfang 2020 zog sie deshalb, mitten im aufwallenden Corona-Sturm, von Brooklyn zurück nach Ipswich, Massachusetts, um Vater und Familie zu unterstützen – und nebenbei »Barbara« zu schreiben. Große Liebe, großer Schmerz, all das ist authentisch auf diesem Tonträger eingefangen.
Der gute-Laune-Dreampop des Debüts »Happy To Be Here« hat eine nachdenkliche Schwester bekommen, die musikalisch aber auch tüchtig was auf dem Kasten hat. Mit übersprudelnder Kreativität rutschen knarzige A-Gitarren, schrammelnde E-Gitarren, Mandolinen, Klarinetten, Flöten, Trompeten, Schlagzeuggrooves und elektronische Drumbeats durcheinander, kuscheln sich zusammen und bilden eine herrlich bittersüße Popglasur, die sich beim 1990s Indiepop genauso anschmiegt, wie die Multi-Instrumentalistin mit modernem Electropop gemeinsame Sache macht. Verschachtelte Ohrwürmer der anspruchsvolleren Art füllen das zweite Album, welches Lindsay komplett selbst produziert und eingespielt hat, abgesehen von ein paar Schlagzeug-Einsätzen, die ihr Bruder Ben Lumsdaine übernahm, und Backup-Gesängen von Partnerin Gabby Smith.
Eine dichte, spannende Songsammlung voller Melodien, die von Trauer und Hoffnung künden, und damit natürlich perfekt in die seltsamen Zeiten passen, die wir gerade (und mit zunehmender Erschöpfung) durchleben.
Klaas Tigchelaar für Schnüss
Widowspeak
The Jacket
(Captured Tracks/Cargo) VÖ: 11.03.
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Molly Hamilton und ihr Gitarrist Robert Earl Thomas haben die Ruhe weg. Schon der Album-Opener »While You Wait« breitet mit kleinen, flötenden Synthesizer-Schmetterlingen über genügsamem Bass- und Besenschlagzeugteppich hinweg eine gewisse Zuversichtlichkeit aus. Da wirken Virus, Inflation und herannahender Quarantäne-Wahnsinn direkt nicht mehr so wichtigtuerisch. Der sechste Longplayer von Widowspeak scheint so etwas wie das innere Zentrum der Band gefunden zu haben.
Dort wo Folk-Lässigkeit, dröhnende Americana-Gitarren, Velvet Underground-Depressionen und Gesänge in bester verhuschter Nancy Sinatra-Manier zu einem finalen Indiepop-Statement ausholen: Wird schon alles wieder gut werden.
Und wenn nicht, hatten wir wenigstens eine schöne Zeit.
Es sind die Widersprüchlichkeiten, die das Album textlich steuern, Egoismus und Co-Abhängigkeit treffen auf endlose Straßen und dunkle Hinterhof-Spelunken. Gemeinsam mit Drummer Michael Stasiak, Bassist J.D. Sumner und Tastenspieler Michael Hess haben die beiden Bandköpfe ein knackig-zeitloses Album mit zehn aufregenden Tracks erschaffen, dass sich ganz unprätentiös ins Plattenregal schmiegt und eigentlich immer passt – egal ob zu schwerem Rotwein am Abend, oder auf einer erfrischenden Tretbootfahrt am aufkeimenden Frühlings-Wochenende. Muss man in Zeiten voller Geschrei, Wichtigtuerei und Hysterie auch erstmal hinkriegen.
Klaas Tigchelaar für Klenkes
Metzgerbutcher
Kultur EP
(Eigenvertrieb) VÖ: 03.12.
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Durch die eingefrorene Konzertlandschaft in Corona-Zeiten scheint es beinahe so, als wenn auch die lokale Musikkultur unsichtbar geworden wäre. Stimmt natürlich nicht, denn wann wäre die bessere Gelegenheit, endlich mal die mit Blut, Schweiß und Dosenbier zusammengekitteten eigenen Songs ordentlich aufzunehmen und sie, auf CD oder über digitale Kanäle an die freudigen oder ahnungslosen Zuhörer zu übermitteln? Eben. Das dachten sich auch die Bonner Brüder Larry Butcher und Hans W. Metzger (bürgerlich Lars und Markus Fleischer), einstmals Teil des 1991 gegründeten und 2020 begrabenen Punkrock-Trios Wantu & The srie 4’s, die als Metzgerbutcher seit der Debütsingle »Lockdown« (2020) und der EP »2020 präsentiert…« nun schon zum dritten Pandemie-Tonträger geschafft haben. Sie nennen es Electro-Indierock, aber natürlich sind NDW, 90s-Rock, und »intelligenter« Deutschpunk Stichworte, die das Einordnen deutlich erleichtern. Stromgitarre, angezerrter E-Bass, Drumcomputer und zwei gepresste Gesänge drängeln systemkritische Texte (»Was glaubst du?«) und humorvolle Zeitgeistbeobachtungen (»Sprachnachricht«) kurzentschlossen in fünf kleine Songs, die alle unter drei Minuten bleiben und damit eine gefällige Abwechslung liefern. Natürlich ist das textlich alles stark vom Corona-Irrsinn geprägt, welcher der Kultur und auch einigen nicht ganz so hell leuchtenden Hirnen nachhaltigen Schaden zugefügt hat. Spielerisch, mit kleinen Verzierungen (gepfiffene Melodien, kleine Synthi-Schnipsel) aufgehübscht, hinterlässt das einen zufriedenstellenden Eindruck. Denn wenn schon Quarantäne, dann wenigstens mit dem passenden Soundtrack. www.metzgerbutcher.de
Klaas Tigchelaar für Schnüss